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Lanze und Rose

Lanze und Rose

Titel: Lanze und Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonia Marmen
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wusste, dass sie ihn getäuscht hatten, würde seinen Zorn an Marion auslassen. Er musste schnell machen.
    »Marion!«
    Ein weiteres ersticktes Stöhnen, das dieses Mal über ihm zu sein schien. Er hob den Kopf. Um ihn herum war es stockfinster.
    »Duncan!«
    Marions panischer Schrei erfüllte den Raum und schien von überall und nirgends herzukommen.
    Wo sind sie bloß?
    Der Hall in einem Treppenhaus! Das war es! Die beiden waren in den ersten Stock hinaufgestiegen. Aber wo befand sich diese verflixte Treppe? Er ließ sich von seinem Instinkt leiten und schob sich in die Richtung, aus der er das letzte Stöhnen gehört hatte, an der Wand entlang. Eine weitere Öffnung … Ja, eine Tür! Er stürzte hindurch und stieß gegen eine schräge Stufe.
    Eine Wendeltreppe!
    Er würde ein perfektes Ziel abgeben, denn auf halber Höhe der Treppe war ein kleines Fenster in die Mauer eingelassen, durch das ein schwacher Lichtschein einfiel. Wenn Mackay im Dunklen wartete, würde es ihm ein Leichtes sein zu schießen, sobald er den Lichtstrahl durchquerte. Aber er hatte keine andere Wahl. Marion befand sich in den Klauen dieses Bastards.
    Den Rücken an die Wand gepresst und den Blick nach oben gerichtet, nahm er eine Stufe nach der anderen. Er bekam kaum Luft, und das Blut pochte ihm heftig in den Schläfen.
    Das war keine gute Idee … Gar nicht gut!
    Aus dem Hof drangen Schreie und Schwertergeklirr zu ihm herauf und ließen schreckliche Bilder vor seinen Augen aufsteigen.
Noch immer hing Sheriffmuir ihm nach wie ein Albtraum. Er schwitzte in Strömen. Mit einem Mal sah er wieder das Schlachtfeld vor sich – rot von Blut, mit verstümmelten Körpern übersät, Schotten und Sassanachs in ihrem ewigen Schlaf vereint. Er sah Ranald, der sich ihm zuwandte und lächelnd dem Tod spottete. Die Klinge des Dragoners fuhr hoch, schimmernd und rasiermesserscharf. Er hörte den Schrei seines Vaters, seinen eigenen … Doch jetzt war es Marion, die nach ihm rief. Er erstickte, dicke Schweißtropfen standen ihm auf der Stirn, und er stöhnte auf. Nein! Er durfte jetzt nur an Marion denken. Sie durften sie nicht auch noch bekommen.
    Marion!
    Schwache Geräusche, ein Knirschen … Möbel wurden über einen Parkettboden geschoben. Dann eilige Schritte. Marion schluchzte. Heilige Muttergottes, beschütze sie! Der Stein in seinem Rücken fühlte sich kalt und hart an. Er rutschte an der Wand entlang. Obwohl ihm unglaublich heiß war, stieg sein Atem vor ihm als feiner weißer Nebel auf.
    Duncan erreichte den Zugang zum ersten Stock, der nach links führte. Er hielt den Atem an, um zu lauschen. Nichts. Wo steckten die beiden nur? Duncan versuchte, sich daran zu erinnern, welche Waffen Mackay bei sich trug: zwei Pistolen, wahrscheinlich Repetierwaffen; eine Muskete, die jedoch noch im Futteral an seinem Zaumzeug steckte; ein Schwert und einen Dolch… Erschrocken machte er sich klar, dass er seine eigene Pistole nicht abfeuern konnte, wenn Mackay Marion als lebenden Schild benutzte. Und während er nicht auf diesen Bastard schießen konnte, würde der andere nur zu gern auf ihn anlegen!
    Das Knirschen seiner Klinge, die an der Wand entlangschabte, erinnerte ihn daran, dass er seine Waffe im Schwertgehenk trug. Er nahm den Dolch in die linke Hand und tauschte die Pistole gegen das Schwert aus, das er vor sich hielt. Dann sprang er mit einem Satz durch den Türrahmen. Der Raum dahinter war leer.
    Rasch durchquerte Duncan eine Reihe von Zimmern, wobei er sich mit angehaltenem Atem an der Wand entlangschob. Leer! Alles leer! Sein Herz pochte so heftig, dass es schmerzte. Mackay musste auf den Dachboden gestiegen sein. Er kehrte zur Treppe
zurück und machte sich an den gefährlichen Aufstieg über die ausgetretenen und vor Feuchtigkeit schimmernden Stufen, die sich spiralförmig nach oben fortsetzten.
    »Marion!«, schrie er panisch.
    »Duncan…«
    Ein erstickter Schrei, und dann ein weiterer, in dem Entsetzen mitschwang, ließen ihm das Blut gefrieren. Er hatte den Eindruck, dass die Stufen unter ihm davonsanken und er in alle Ewigkeit aufwärtsstieg. Er würde zu spät kommen… Dieser Hurensohn Mackay! Er würde ihm das Fell abziehen!
    Frischer Zorn verlieh ihm die Kraft, die letzten Stufen zu überwinden. Ein Geruch nach Schimmel und Staub verschlug ihm den Atem. Er bemerkte, dass das Dach in einer Ecke leicht durchhing und einige Dachpfannen fehlten. Milchiges Mondlicht fiel ein und ließ die Steinbrocken, mit denen der Boden übersät war, grau

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