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Lanze und Rose

Lanze und Rose

Titel: Lanze und Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonia Marmen
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ihnen keine Träne nachweinen werde«, erwiderte er mühsam beherrscht. »Muss ich erst Euer Gedächtnis auffrischen und Euch daran erinnern, dass Euer Großvater das Massaker an meinen Leuten befohlen hat? Dass er und seine Männer meinen Vater feige ermordet und meine Mutter halb nackt im Schnee liegen gelassen haben, damit sie erfror?«
    Totenstille hatte sich über die kleine Versammlung gesenkt. Marion empfand tiefe Scham. Sie war zu weit gegangen… Wann würde sie endlich lernen, ihre Zunge zu hüten? Sie erschauerte, denn sie war sich des Blickes des jungen Macdonald, den sie in ihrem Nacken brennen spürte, schrecklich bewusst. Am liebsten wäre sie losgerannt, hätte den Kreis der Männer durchbrochen, der sich um sie geschlossen hatte, doch ein stechender Schmerz lähmte sie. Alasdair hatte ihr den Arm auf dem Rücken verdreht.
Tränen stiegen ihr in die Augen, und sie schloss sie, um sich zu beherrschen und biss sich heftig auf die Lippen.
    »Was glaubt Ihr, wo Ihr hingehen werdet?«
    Der Atem des Mannes, dessen Ermordung ihr Großvater befohlen hatte, strich über ihre Wange. Als Alasdair ihr den Arm verdrehte, hatte er sie gezwungen, sich zu Duncan umzudrehen, doch sie wagte ihn nicht anzuschauen. Störrisch hielt sie die Augen geschlossen und stöhnte, als ihr Peiniger seinen Griff verstärkte.
    »Ihr tut mir weh … Ich bitte Euch …«
    Abrupt gab er sie frei und stieß sie brutal vor Duncans Füße. Der junge Mann wollte ihr schon helfen, sich zu erheben, doch Liam legte ihm die Hand auf den Arm und bedeutete ihm mit einem Blick, nichts zu unternehmen. Das wäre ein Affront gegenüber dem Anführer des Clans gewesen. Alasdair drehte sich um und entfernte sich, blieb jedoch nach einigen Schritten noch einmal stehen.
    »Pass gut auf sie auf, Duncan. Ich muss mit dem General über die Angelegenheit sprechen. Danach entscheiden wir, was wir mit ihr anfangen.«
    Mit diesen Worten ging er davon, gefolgt von seinen Männern. Endlich beugte der junge Macdonald sich über das Mädchen, das seine Tränen nicht länger zurückhalten konnte, und legte ihr vorsichtig eine Hand auf die Schulter.
    »F … fass mich n … nicht an, Macdonald«, schluchzte sie und krümmte sich zusammen.
    Die Hand zog sich eilig zurück und schwebte einen Moment über der feuerroten Mähne, die im kalten Wind wehte. Dann richtete Duncan sich auf und ging ebenfalls davon.
    Als er zurückkehrte, hatte sich Marion zusammengerollt wie ein Igel und zitterte heftig. Er reichte ihr eine Decke, und als er sah, dass sie keine Anstalten machte, sie zu nehmen, breitete er sie über ihr aus. Sie erschauerte und schlug die feuchten Augen zu ihm auf. Nein, er lächelte nicht. Er ergötzte sich nicht an ihrer Demütigung, wie sie gedacht hätte. Ranald ebenfalls nicht, und auch nicht der Hüne, der neben ihm stand. Die drei Männer ähnelten sich auf eigenartige Weise, besonders Duncan und der
ältere Mann. Sie besaßen den gleichen kräftigen, breiten Kiefer und den gleichen durchdringenden Blick.
    Sie wandte sich ab, um ihren forschenden Blicken zu entrinnen. Der Vater und seine Söhne , dachte sie, als sie sich die Decke um die Schultern zog. Das Muster des Wollstoffs, der ihr ein wenig Wärme schenkte, zog ihren Blick an. Rot, Blau und Grün … der Tartan der Macdonalds. Duncan hatte sie mit den Farben von Glencoe zugedeckt. Sie schluckte ihre Tränen und ihren Stolz herunter.

4
Rettet die Campbells!
    Dichter Nebel umwaberte die Zelte und dämpfte die Stimmen. Gott helfe mir, ich soll den Wachhund für eine Campbell spielen!, brummte Duncan halblaut vor sich hin und reichte Marion eine Schale mit klumpigem, dampfendem Porridge. Sie hatte die Nacht unter ihrem Ginsterbusch verbracht und machte sich jetzt daran, die stacheligen Ästchen aus ihrem Haar zu lesen. Liam, Ranald und Duncan hatten in der Nähe genächtigt, bereit, jedem Einhalt zu gebieten, der versucht hätte, sie anzugreifen. Marion nahm den angebotenen Napf und verzog das Gesicht, als sie den wenig appetitlichen Inhalt erblickte. Doch sie enthielt sich jeden Kommentars.
    Duncan ließ sich vor ihr im Schneidersitz auf dem Gras nieder und stellte sich seine Portion auf den Schoß. Dann zog er einen Löffel aus seinem Sporran , wischte ihn mit einer Ecke seines Plaids ab und reichte ihn lächelnd dem Mädchen.
    »Iss, solange es heiß ist, dann rutscht es besser. Ich weiß, dass es mit ein wenig Honig besser schmecken würde, aber hier darf man beim Essen nicht wählerisch sein. Im

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