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Lanze und Rose

Lanze und Rose

Titel: Lanze und Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonia Marmen
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Gegenteil, man muss sich schon glücklich schätzen, überhaupt etwas zwischen die Zähne zu bekommen.«
    Marion lächelte ein wenig verschämt und aß unter Duncans aufmerksamen Blicken ohne zu murren ihren Porridge.
    »Hast du heute Nacht gefroren?«
    Sie hob die Nase von ihrem frugalen Frühstück, ließ sich jedoch einen Moment Zeit mit der Antwort. Natürlich hatte sie gefroren, sie hatte in der Nacht praktisch kein Auge zugetan.
    »Nein«, stotterte sie und aß ihren letzten Bissen.
    Sie stellte die geleerte Schale vor sich ab, zog die Knie unter
das Kinn und zupfte an dem Plaid, das ihr von den Schultern gerutscht war. Duncan nahm den abgelegten Löffel, rieb ihn sauber und verleibte sich ebenfalls die geschmacklose Mahlzeit ein.
    »Du hast wahrscheinlich schon vermutet, dass mein Clan dir nicht gerade Sympathie entgegenbringt«, begann er, nachdem er sein verbeultes Esswerkzeug in seinen Sporran geräumt hatte.
    »Ich weiß.«
    Sie ließ den Blick über die wimmelnde Masse von Kriegern schweifen, die je nach ihrem Rang in der Militärhierarchie gelassen ihren Aufgaben nachgingen. Einige waren um die Feuer versammelt, die den Platz jeden Clans im Lager bezeichneten, und versuchten, den feuchten Wollstoff ihrer Plaids zu trocknen. Die Chiefs und die Offiziere waren in einfachen Zelten untergebracht. Doch die anderen schliefen, fest eingewickelt in ihr Plaid, das ihr einziger Schutz gegen die Kälte der Oktobernächte war, unter freiem Himmel, unter den Vorratskarren oder unter einem Busch.
    »Du darfst es Alasdair nicht übelnehmen.«
    Sie wandte sich ihm zu und verzog ärgerlich das schmale, von Angst und Schlafmangel gezeichnete Gesicht. Der junge Mann spürte, wie sein Puls beim Anblick dieser Augen, die er zum ersten Mal bei Tageslicht sah, schneller schlug. Dieser wunderbare Blick, der ihn in der Abenddämmerung auf einem Hügel in Glenlyon verzaubert hatte … Die Iris war von einem sehr blassen, reinen Blau und wurde von einem tieferen Blau, das auch ihren Rand eingrenzte, durchzogen. Das Ganze wurde sehr hübsch von langen, goldenen Wimpern umrahmt und hielt seinem forschenden Blick unbewegt stand.
    »Ich habe wirklich genug davon, für die Dummheiten dieses Großvaters zu bezahlen, den ich nicht einmal kennen gelernt habe«, erklärte sie mit leiser, zorniger Stimme. »Er ist tot, Herrgott! Bis darauf, dass ich seinen Namen trage, wie du so schön bemerkt hast, habe ich nichts mit ihm zu schaffen.«
    »Und genau das ist das Problem.«
    »Sollen denn noch meine Kinder für seine Fehler bezahlen?«
    »Fehler? Das war ein Massaker, Marion! Dein Großvater und
seine Männer haben die Gastfreundschaft meines Clans missbraucht und sein Vertrauen verraten!«
    Sie hob das Kinn und presste die Lippen zusammen. Dann sah sie den Mann, den sie für Duncans Vater hielt. Er saß ein Stück weit entfernt und beobachtete die beiden.
    »Dein Vater?«
    Der junge Mann folgte ihrem Blick.
    »Ja.«
    Sie zog die Lippen zwischen die Zähne und schlug die Augen nieder.
    »Ich nehme an, dass er dabei war, als …«
    »Bei dem Massaker? Ja«, entgegnete er schroffer, als er beabsichtigt hatte.
    »Hat er dir davon erzählt?«
    »Ja.«
    Verstohlen warf Marion dem Hünen mit den grauen Schläfen, der jetzt mit einem anderen Mann aus dem Clan sprach, einen letzten Blick zu, schluckte dann und schloss die Augen.
    »Es tut mir … leid.«
    Was hätte sie sonst noch bemerken sollen? Es gab nichts zu sagen. Sie wusste, was am Morgen des 13. Februar 1692 geschehen war. Oftmals hatte sie zugehört, wenn Soldaten, die nach Glenlyon kamen und die daran teilgenommen hatten, erzählten. Sie kannte alle blutigen und grauenhaften Einzelheiten. Einige der Soldaten bereuten ihre Taten aufrichtig. Sie hatten ihre Geschichte unter Tränen erzählt, niedergedrückt von ihren Schuldgefühlen, und dabei ein dram Whisky nach dem anderen in sich hineingeschüttet. Andere dagegen fanden richtiges Vergnügen daran zu schildern, wie sie sich eine der »Macdonald-Huren« vorgenommen hatten, um sie zu vergewaltigen, nachdem sie ihrem Mann den Schädel zerschlagen hatten. Diese zweite Kategorie von Soldaten bestand vor allem aus Lowlandern, Männern, die noch nie mit den Macdonalds von Glencoe zu tun gehabt hatten, die sie aber, wie alle Bewohner des Tieflands, ganz einfach verachteten, weil sie Highlander waren. Diese Idioten hatten von ihren widerwärtigen Großtaten erzählt, ohne zu überlegen, dass ihre Zuhörer ebenfalls Highlander waren, genau wie
die

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