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Lanze und Rose

Lanze und Rose

Titel: Lanze und Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonia Marmen
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eiskalt. Er versuchte, einen begütigenden Tonfall anzuschlagen.
    »Aber du hattest keine Schuld daran, Marion … Du konntest es nicht wissen.«
    »Das macht mir ja die größte Angst, Duncan. Ich sehe schreckliche Dinge und vermag nichts dagegen zu unternehmen. Ich habe Angst … Verstehst du, mein Albtraum von heute Nacht… Das war nicht wirklich ein Traum.«
    Sie sah auf seine Hände hinunter, welche die ihrige umschlossen hielten.
    »Du hattest eine Vision?«
    Langsam nickte sie.
    »Und du willst mir nicht davon erzählen?«
    Sie verzog das Gesicht.
    »Sind die Visionen nicht Bilder, die uns unser Schicksal zeigen?«
    »Aber das kann manchmal so grauenhaft sein!«
    Spontan zog er ihre eisige Hand an die Lippen und küsste sie zärtlich. Marion ließ es geschehen.
    »Dann sollte man es doch vorziehen, sein Schicksal hinzunehmen und sich ihm zu beugen, statt dagegen anzukämpfen. Allein Gott ist der Herr unseres Geschicks.«
    »Gott!«, gab sie verbittert zurück und musterte ihn unentschlossen. »Wenn Gott der Urheber dessen ist, was ich gesehen habe, dann ist er nicht der Gott, an den ich gern glauben möchte.«
    »Aber was hast du denn nun so Schreckliches gesehen?«
    Marions Lippen zitterten. Sie öffnete den Mund, erschauerte dann und schloss ihn wieder. Duncan legte einen Arm um ihre Schultern und zog sie sanft an sich. Er verhielt einige Augenblicke, da er ihre Reaktion fürchtete, doch sie stieß ihn nicht zurück.
Ich muss aufhören, ehe ich zu weit gehe. Aber seine Hände ignorierten die Befehle, die sein Verstand ihnen gab. Unter seinen Fingern konnte er Marions Herz pochen spüren. Sie hatte nicht weitergesprochen, doch ihr Körper sagte mehr als Worte. Zitternd, mit geschlossenen Augen und feuchten Wangen, lag sie in seinen Armen. Sie bog den Kopf zurück und bot ihm ihren Hals dar.
    Die unausgesprochene Aufforderung brachte Duncans Herz in Wallung. Vor lauter Angst, dieser magische Augenblick könnte für immer verfliegen, zögerte er noch einen Moment, bevor er es wagte, ihre seidenweiche, weiße Haut zu berühren. Das ist Wahnsinn! Glencoe und Glenlyon … Das ist der pure Wahnsinn … Aber ich bin verrückt nach ihr! Er hielt es nicht mehr aus und wagte es, seine glühenden, hungrigen Lippen über den dargebotenen Hals gleiten zu lassen. Marions Körper spannte sich leicht an. Mit beiden Händen griff die junge Frau in sein Hemd und seufzte. Das war unerwartet gekommen.
    »A Mhórag … a Mhórag mhillis, m′ainngeal dhiabhluidh … « Oh, Marion … Süße Marion, mein teuflischer Engel …
    Duncans begierige Lippen bewegten sich langsam auf Marions Mund zu, der sich leicht öffnete und ihn willig willkommen hieß. Unendlich zärtlich drückte er sie auf das Bett, das von neuem laut knarrte. Er beugte sich über sie, sah ihr in die Augen und suchte dort nach dem Schatten einer Missbilligung, doch er sah keinen. Diese Augen… träumte er?
    »Das Schicksal, Marion, ist es nicht oft die schönste Geschichte unseres Lebens?«
    »Nicht immer … Es kann auch zu unserem schlimmsten Albtraum werden, Duncan.«
    »Nicht für mich. Oh nein! Nicht in diesem Moment …«
    »Vielleicht, doch jeder Tag ist eine neue Seite in dem großen Buch unseres Lebens. Die Hand des Schicksals beschreibt diese Seiten, die wir unbekümmert umwenden, immer in dem Glauben, die nächste werde schöner ausfallen als die vorhergehende. Manchmal ist diese Hand gut und nachsichtig, doch sie kann auch grausam und gnadenlos sein. Woher will man das wissen?«

    Duncan suchte nach Marions Händen, fand sie und schloss sie fest in die seinen. Sie ist da, unter mir. Ich muss aufhören, ich nutze ihre Schwäche aus … Er kam sich vor, als würde er sie auf gemeine Weise missbrauchen, doch er konnte nichts dagegen tun. Unter ihm stöhnte die junge Frau wie im Fieber und verbrannte ihn wie die Flammen der Hölle.
    »Dann muss man eben den Augenblick ergreifen«, flüsterte er und strich über Marions feuchte Lippen. »Man muss ihn nutzen und hineinbeißen wie in eine reife Frucht, bevor sie verdirbt. Die Vergangenheit… ist unsere einzige Gewissheit. Die Gegenwart … ist so … kurzlebig. Sie rinnt uns durch die Finger wie das Wasser, das unseren Durst stillt. Sie entzieht sich uns wie die Luft, die wir atmen. Und in diesem Moment, Marion Campbell … atmen wir dieselbe Luft, du und ich.«
    »Zwischen uns stehen so viel Leiden und Blut, Duncan.«
    Seine Miene verdüsterte sich. Was tue ich da nur? Sie hat ja recht! All das Blut, das

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