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Lanze und Rose

Lanze und Rose

Titel: Lanze und Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonia Marmen
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zog, riskierte sie vorsichtig einen Blick auf ihn.
    »Wohl wahr«, pflichtete er ihr schließlich bei und lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. »Wenn du dich im Boot auf den Boden gelegt hättest, wie ich es dir befohlen hatte, wärest du sicherer gewesen.«
    Mit Absicht hatte er die Stimme gehoben, als er das Wort »befohlen« aussprach. Dann zuckte er die Achseln und gähnte hinter vorgehaltener Hand.
    »Aber dir ist nichts geschehen, und darauf kommt es an«, setzte er dann hinzu.
    Seine Finger nestelten nervös am Rand seines Baretts aus blauer Wolle. Auf dem ganzen Weg nach Finlarig war er nicht besonders gesprächig gewesen. Sie betrachtete seine zu einem starren, angespannten Lächeln verzogenen Lippen. Ganz offensichtlich fühlte er sich ebenso unbehaglich wie sie.
    »Morgen bist du auf Drummond Castle. Breadalbane wird dir für deine Rückkehr nach Chesthill gewiss eine geeignetere Begleitung stellen als mich.«
    »Wahrscheinlich …«
    »Wir haben noch einen langen Weg vor uns. Deswegen werden wir morgen ziemlich früh aufbrechen. Ich klopfe dann an deine Tür, wenn es dir recht ist.«

    »Ja, sicher …«
    Schweigend sah Duncan die junge Frau an und sagte sich, dass dies sicherlich die letzte Mahlzeit war, die er mit ihr teilte. Dann schaute er auf seinen Teller hinunter, und die beiden aßen wortlos weiter.
    Marion leerte ihren Krug und schaute sich im Gastraum um. Ein Stück weiter weg hatten ein paar Gäste eine Rempelei begonnen. Einer der Männer spie einem Koloss, der ihn um mehr als einen Kopf überragte, Beleidigungen ins Gesicht. Duncan, der die Szene ebenfalls beobachtete, stieß einen leisen, tadelnden Pfiff aus, dann runzelte er die Stirn. Jetzt begann der Riese ebenfalls zu fluchen und schlug mit der Faust nach dem Gesicht des kleinen Mannes, der ihr um Haaresbreite entging, indem er sich bückte. Der, der hinter ihm stand, hatte weniger Glück und bekam den Haken mitten aufs Kinn ab. Er schlug der Länge nach auf den Tisch zu seiner Rechten und warf die Krüge der Gäste, die daran saßen, um.
    »Moment«, meinte Duncan und erhob sich unauffällig. »Ich glaube, wir sollten gehen, bevor es hier ungemütlich wird.«
    Die verärgerten, durchnässten Gäste packten den Unglücklichen, der für die Überschwemmung verantwortlich war, an den Schultern und schleuderten ihn unter den Nachbartisch. Eine Frau stieß einen spitzen Schrei aus. Unterdessen war es dem Koloss gelungen, den kleinen Mann am Kragen zu packen. Jetzt hielt er ihn mit einer Hand an der Wand fest, während er ihm mit der anderen in den Bauch schlug.
    Marion sprang auf und hängte sich an Duncans Arm, der sie hinter sich her auf die Treppe zuzog. Unter den Männern im Gastraum der Herberge war inzwischen eine Massenschlägerei ausgebrochen.

    In Marions kleinem Zimmer trommelte der Regen gegen das Fenster und drang zusammen mit einem eisigen Luftzug zwischen den Flügeln hindurch. Die junge Frau lag, in das Plaid gewickelt, auf dem knarrenden Bett und betrachtete leicht besorgt die Schatten an den rissigen Wänden. Trotz ihrer Angst, erneut eine Nacht allein und an einem unbekannten Ort zu verbringen, fühlte sie sich zufrieden.

    Im Zimmer hatte eine angenehme Überraschung auf sie gewartet. Eine mit warmem Wasser gefüllte Wanne hatte in der Mitte des Raumes gethront, und auf der Matratze hatte ein etwas ausgeblichenes, aber sauberes blaues Wollkleid gelegen, zusammen mit einem Unterrock und einem Hemd. Marion zweifelte nicht daran, dass Duncan der Urheber dieser Gaben war, und jetzt begriff sie auch, warum er im Stall hatte schlafen wollen. Gewiss hatte er seine ganze Barschaft dafür ausgegeben.
    Ein Blitz tauchte das Zimmer in grelles Licht, und sie fuhr zusammen. Dann polterte der Donner. Bestimmt würde sie heute Nacht wieder nicht schlafen können.
    Du hast nichts zu befürchten , redete sie sich selbst gut zu und schlang die Arme um die angezogenen Knie. Du wirst diese schrecklichen Bilder nicht mehr sehen.
    Die Kerzenflamme flackerte und brachte die Schatten auf den Wänden zum Tanzen. Die Geräusche aus dem Schrankraum drangen nur noch wie ein gedämpftes Murmeln zu ihr. Von neuem erschauerte sie, dann schloss sie die Augen in der Hoffnung, der Schlaf möge sie überwältigen. Ein weiterer Blitz war so hell, dass sie ihn auf der Innenseite ihrer Lider sah. Ich hätte die Läden schließen sollen …

    Die Hand auf das wacklige Treppengeländer gelegt, zögerte Duncan. Ich brauche ihr nur zu sagen, dass ich mich

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