Lanze und Rose
überzeugen wollte, ob sie den Riegel richtig vorgelegt hat . Ihm war nicht wohl bei dem Gedanken, sie allein in dem kleinen Zimmer in einer Herberge zu lassen, in der es von betrunkenen Männern wimmelte, aber er hatte nicht wirklich eine Wahl. Hier würde sie wenigstens nicht frieren.
Er stieg bis zur ersten Etage hinauf, hielt am Fuß der zweiten Treppe an und lauschte auf die Geräusche, die durch die Wände zu hören waren. Aus einem der Zimmer in diesem Stockwerk drangen ein ziemlich ordinäres und ein anderes, raueres Lachen, gefolgt von einem Knarren. Etwas schlug in regelmäßigem Rhythmus gegen die Wand. Duncan lächelte, denn er konnte sich vorstellen, was sich auf der anderen Seite der Tür abspielte.
Dann lief er, immer zwei Stufen auf einmal nehmend, die Treppe zum zweiten Stock hinauf.
Im Korridor war es still und dunkel. Nur der Regen, der auf die Dachpfannen trommelte, und das Rollen des Donners hallten von den rissigen Wänden wider. Unter Marions Tür fiel ein schwacher Lichtschein hindurch. Zögernd stützte er die Hände auf den Türrahmen und wartete einige Minuten, die Stirn gegen das zerkratzte Holz gelegt. Im Zimmer war es still. Ob sie wohl schlief? Und wenn er sie aufweckte? Das würde ihm schrecklich leidtun. Aber er wollte sich vergewissern, dass alles in Ordnung war. Plötzlich drang ein gedämpfter Laut, so etwas wie ein Stöhnen, durch die Tür. Er hob den Kopf und legte die Hand auf die Klinke. Idiot! Du kannst doch nicht wie ein Dieb in ihr Zimmer schleichen, sie würde dich bestimmt umbringen!
Kurz und verhalten klopfte Duncan an die Tür. Sofort verstummte das Weinen. Die Dielen knarrten, und das Licht, das unter der Tür hindurchdrang, flackerte. Er wartete noch einen kurzen Moment.
»Marion? Geht es dir gut?«
Er hörte, wie der Riegel zurückgeschoben wurde, dann quietschte die Tür, und ein schmaler Lichtstrahl fiel ihm ins Gesicht. Im Türspalt erschien die Silhouette der jungen Frau.
»Ich … ich wollte mich vor dem Schlafengehen vergewissern, dass es dir gut geht«, erklärte er. »Brauchst du noch etwas?«
Sie schwieg einen Moment lang. Dann öffnete sie die Tür weiter.
»Komm herein«, lud sie ihn ein und trat zur Seite.
Er sah, dass sie unter dem Plaid nur den Unterrock und das Hemd trug.
»Ich weiß nicht«, murmelte er und bedauerte schon, gekommen zu sein. »Das schickt sich nicht… Also, ich glaube nicht, dass es richtig ist, wenn ich …«
»Stell dich nicht dumm, Duncan. Wir haben jetzt drei Nächte lang Seite an Seite geschlafen. Aber vielleicht stürzt es dich ja in Verlegenheit, mich in einem Rock zu sehen!«
Er hatte sie schon mit viel weniger als einem Rock erblickt. Noch einen Moment lang zögerte er. Aber eigentlich hatte sie
recht. Die junge Frau flüchtete sich wieder auf das Bett. Er schloss die Tür hinter sich und lehnte sich von innen dagegen. Ein Blitz erhellte das Zimmer. Duncan betrachtete das Fenster, das im Wind klapperte. Er ging dorthin, öffnete es, zog die Läden zu, die gegen die Außenwand schlugen, und verriegelte es. Das Fensterbrett und die Wand darunter waren triefend nass.
»Danke für das Bad und für die Kleider.«
Duncan wandte sich um. Sie hatte die Beine hochgezogen und mit dem Plaid bedeckt, so dass er sie nicht mehr sehen konnte. Ein Geruch nach Seife und feuchtem Holz schwebte im Zimmer.
»Ich habe mir gedacht, dass du in dem Uniformrock möglicherweise ein paar kleine Probleme bekommen könntest. Wir sind weit von Glenlyon entfernt… Das ist kein besonders gutes Kleid, aber unter den Umständen …«
»Es ist sehr schön«, versetzte sie und schob sich eine noch etwas feuchte Haarsträhne hinter das Ohr zurück.
Er lächelte und rückte den einzigen Schemel, den es im Zimmer gab, so zurecht, dass er sich ihr gegenübersetzen konnte. Mit geröteten Augen und gerunzelter Stirn wiegte sie sich vor und zurück, als sage sie innerlich einen Psalm auf. Sie hatte geweint, doch er wagte nicht, sie nach dem Grund zu fragen. Die Befangenheit, die seit dem frühen Morgen zwischen ihnen herrschte, vertiefte sich. Sie warf ihm ängstliche Blicke zu; auf einmal kam sie ihm sehr verletzlich vor. Sie fürchtet sich immer noch vor mir. Ich hätte nicht herkommen sollen … Abrupt stand er auf.
»Wie ich sehe, steht alles zum Besten. Ich werde dich in Ruhe schlafen lassen. Wenn du noch irgendetwas brauchst, dann weißt du, wo du mich findest …«
»Nein!«, rief sie hastig aus und schaute flehend zu ihm auf.
Verblüfft
Weitere Kostenlose Bücher