Lanze und Rose
wir uns damit zufrieden, das Vieh zu schlachten, von dem wir, Gott sei Dank, ausreichend besaßen. Ohnehin hätten wir die gestohlenen Tiere nicht im Herbst auf dem Markt in Crieff verkaufen können.
Von morgens bis abends schnitten die Frauen auf den Feldern Getreide und schwitzten Blut und Wasser. Anschließend wurden Gerste und Hafer vor dem ersten Frost in der Scheune gelagert. Wenn Mutter Natur uns wohlgesonnen war, würden wir gerade genug Korn einfahren, um den Winter zu bestehen. Der Rest würde im Frühling auf den Feldern verfaulen. Wir würden keinen Überschuss erwirtschaften. Die kalte Jahreszeit versprach schwierig zu werden, und wir würden unsere Vorräte rationieren müssen.
Ich verzog das Gesicht und stemmte mich hoch, um an das Kochen der Maische zurückzukehren. Ich musste noch zwei
Fässer mit Malz zum Fermentieren füllen und drei Säcke Gerste wässern. So langsam begann ich zu verstehen, warum die Männer die Arbeit in der Bauerei so sehr schätzten. Nachdem ich nur wenige Stunden lang die von Alkoholdünsten gesättigte Luft geatmet hatte, drehte sich mir der Kopf, und ich fühlte mich berauscht. Vielleicht erschien dadurch die Arbeit ja weniger schwer. Jedenfalls musste jemand sie tun. Da ich Liam schon oft geholfen hatte, verstand ich mich gut genug darauf, dass ich versuchen konnte, ein hausgemachtes Bier zusammenzubrauen. Einige der wenigen Männer, die geblieben waren, kümmerten sich darum, den Whisky zu brennen. Die Männer würden lauthals danach verlangen, wenn sie zurückkehrten … Sie werden wiederkommen, Caitlin, bete für sie …
»Ar n-Athair, a tha air neamh, gum bu naoam a bhios t′ainm; guntigeadh do rioghachd …« Vater unser, der du bist im Himmel, geheiligt werde dein Name, dein Wille geschehe …
»Mutter! Mutter!«
Ich fuhr heftig zusammen, ließ meinen hölzernen Schöpflöffel fahren und hätte ihn beinahe in der schaumigen Flüssigkeit verloren, von der ein süßlicher Malzduft aufstieg. Als ich mich umdrehte, fand ich mich Auge in Auge mit Frances wieder… Sie atmete schwer, und ihre Wangen waren vom Rennen gerötet.
»Was gibt es?«, fragte ich ein wenig schroff. »Wenn du willst, dass ich noch ein paar Jahre lebe, Tochter, dann solltest du ein wenig mehr Rücksicht auf mein Herz nehmen!«
»Da ist ein Mann, der dich sehen will! Er kommt aus Edinburgh …«
»Edinburgh? Was sollte denn dein Vater in Edinburgh zu tun haben?«
Meine Magengrube zog sich schmerzhaft zusammen. Es war noch viel zu früh, die Schlacht hatte mit Sicherheit noch nicht stattgefunden. Der Earl of Mar hatte noch nicht seine gesamten Truppen versammelt. Und außerdem reisten Gerüchte schnell in den Highlands; wenn etwas geschehen wäre, hätte der Wind es uns gewiss schon zugeflüstert.
Über der mit Rinderblut befleckten Schürze aus Jute knetete Frances, die mich um einiges überragte, nervös ihre Hände. Vielleicht
hoffte sie auf einen Brief von Trevor. Letzterer hatte nach ihrer überstürzten Hochzeit versprochen, ihr so bald wie möglich zu schreiben. Doch bis jetzt hatte uns noch kein Brief erreicht. Frances hätte auch abreisen und sich in Dalness niederlassen können, doch sie hatte beschlossen, in Glencoe zu bleiben und dort auf die Rückkehr ihres Liebsten zu warten. Sie hatte behauptet, dass sie mich mit der vielen Arbeit nicht alleinlassen wollte, wofür ich ihr im Übrigen zutiefst dankbar war.
Die Zeremonie des handfast war von der Aussicht überschattet gewesen, dass die Männer am nächsten Morgen bei Tagesanbruch abrücken würden. Nur die engsten Verwandten hatten dem Bund als Zeugen beigewohnt. Liam hatte – nicht, ohne zuvor einige dram Whisky hinuntergekippt zu haben – die mit einem Band zusammengefügten Hände der beiden Verliebten gesegnet. Ich hätte mir für meine Tochter etwas anderes gewünscht, aber was hatte ich dazu schon zu sagen? Sie hatte es so entschieden. Anschließend hatten Liam, Trevor und meine Söhne sich darangemacht, die einmal geöffnete Flasche Feuerwasser zu leeren, während ich Frances geholfen hatte, in einem entfernten Winkel der Scheune das Hochzeitslager für die beiden zu bereiten. Ein ziemlich ungewöhnlicher Ort für eine Hochzeitsnacht; aber Frances hatte sich geweigert, zu Hause zu schlafen, und es war zu spät gewesen, um noch nach Dalness zu reiten.
Immer noch sah sie mich an und wartete auf eine Reaktion von mir.
»Er wartet im Haus. Er besteht darauf, dir die Nachricht persönlich zu übergeben. Komm schnell, er
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