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Lanze und Rose

Lanze und Rose

Titel: Lanze und Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonia Marmen
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des vierten Tieres lag. Gut, also hatten sie Patrick befreit, aber in welchem Zustand mochte er sich befinden?

    »Beeilung!«, brüllte Timothy und sprang von seinem Pferd, bevor es angehalten hatte. »Er fiebert; wir müssen ihn so rasch wie möglich an einen sicheren Ort bringen.«
    Wir stürzten zu dem Körper, der schlaff über dem Sattel baumelte. Als die Männer Patrick herunternahmen, um ihn zum Wagen zu tragen, sah ich in das bärtige, abgemagerte und leichenblasse Gesicht und schrie bestürzt auf. In diesem ausgemergelten, zerbrochenen Körper erkannte ich meinen Bruder nicht mehr wieder. Sein verletztes Bein war unterhalb des Knies auf das Doppelte seiner normalen Größe angeschwollen, und eine schleimige, gelbliche Flüssigkeit durchtränkte blutig und ekelerregend seinen Strumpf.
    »Diese Ungeheuer!«, rief ich aus, als ich sah, welches menschliche Wrack diese englischen Bastarde aus meinem Bruder gemacht hatten.
    Sàra schluchzte. Man versteckte Patrick in einer großen Holzkiste, die speziell für seine Flucht gefertigt worden war. Sollte der Feind uns anhalten, würden wir ihn unter Stroh und Decken verbergen. Im Stillen hoffte ich nur, dass dieses Versteck nicht zum Sarg für ihn würde. Sein Puls schlug unregelmäßig, und er wirkte zutiefst lethargisch.
    »Wir stehen seine Aussichten?«, fragte ich den Arzt, der eines seiner Augenlider hochgezogen hatte und in seine erweiterte Pupille sah.
    »Ich weiß es nicht«, brummte er und fühlte den Puls des Verletzten. »Schwer zu sagen. Ich konnte ihn noch nicht gründlich untersuchen. Wir mussten schnell machen, und in der Zelle war es zu dunkel, um etwas zu sehen.«
    Er zog ein kleines Messer aus der Tasche, aus der eine goldene Uhrkette hing, und schnitt vorsichtig in den Strumpf, den er anschließend zerriss, so dass die Wunde enthüllt wurde. Das Gesicht, das er zog, teilte mir mit, dass die Prognose nicht sehr gut war.
    »Herrje! Ich fürchte, ich muss sein Bein operieren. Ein Abszess hat sich gebildet. Betet, dass die Schäden begrenzt sind, ansonsten muss man amputieren.«
    Sàra stieß einen leisen, erstickten Schrei aus und wurde kalkweiß.
Matthew fing sie auf, als sie zusammenbrach, und legte sie in den Wagen auf das Stroh. Kurz darauf kam sie zu sich und begann erneut zu schluchzen. Sie war erschöpft und mit ihrer Kraft am Ende, wie wir alle. Der Wagen setzte sich gen Westen in Bewegung. Wir folgten dem Lauf des Forth.
    Timothy, Doktor Quinlan und Malcolm Marshall tauschten die gestohlenen roten Uniformröcke gegen alte Bauernlumpen. Jetzt mussten wir einen Fährmann finden, der uns über den Forth setzte, um auf dem Nordufer weiterzureisen. Auf diese Weise brauchten wir nicht an den royalistischen Lagern in der Nähe von Stirling vorbeizufahren.

    Culross war ein kleines Hafenstädtchen, das einst dank seiner Steinkohlenmine, seiner Salzproduktion und seinem Handel mit Holland floriert hatte. Doch der zunehmende Austausch mit den amerikanischen Kolonien hatte das Ende dieser schönen Zeit eingeläutet. Seither war die Handelstätigkeit in dem Flecken, dessen Häuser auf dem sanft geneigten Gelände an der Mündung des Forth standen, zurückgegangen und stagnierte.
    Die Fahrt war ohne Zwischenfall verlaufen. Wir hatten einen Fährmann gefunden, der uns gegen einen Wucherpreis über die mehr als drei Meilen breite Wasserstraße gebracht hatte, die uns vom Nordufer trennte.
    Nun warteten wir schon eine Weile vor der lärmenden »Ark-Tavern« im Wee Causeway auf Doktor Quinlan Arthur. Der Mann war auf der Suche nach einem alten Freund von der Universität, der in dem Städtchen wohnte. Ein köstlicher Duft nach Kuchen umschwebte uns und erinnerte mich daran, dass wir seit mehreren Stunden nichts gegessen hatten. Sàra dämmerte auf dem Stroh vor sich hin und hatte den Arm um Patrick gelegt, dessen Zustand sich seit unserem Aufbruch nicht verändert hatte.
    Mein Blick verlor sich in der Lücke zwischen zwei Gebäuden, die einmal weiß gewesen sein mussten. Ihre Giebel waren auf flämische Art aus Backsteinen gemauert, und sie waren mit roten, ebenfalls flämischen Dachpfannen gedeckt. In der untergehenden Sonne funkelte der Forth. Zwei ziemlich angetrunkene
Seeleute streiften mich und krachten geradewegs in den mächtigen Bauch des Arztes, der aus der Taverne kam. Einer von ihnen verlor das Gleichgewicht und stürzte auf das staubige Straßenpflaster. Er begann zu schimpfen und zu fluchen und spuckte vor Quinlan auf den Boden. Ich flüchtete

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