Laqua - Der Fluch der schwarzen Gondel
mit einer Schürze und einem Kochlöffel in der Hand.
»Willkommen in meinem kleinen Palazzo«, rief er. Er führte sie in die winzige, aber heimelige Gaststube. Lampen aus buntem Glas verbreiteten warmes Licht, der Tresen war vollgestellt mit Vasen voller Plastikblumen und Schälchen; an den Wänden hingen Postkarten und Gemälde von alten Schiffen.
Und auf einem Regal über der Theke gab es sogar Kostbarkeiten zu bestaunen: bunte Kelche mit goldenem Rand. Ein tiefrotes Glas mit der edlen Form einer Lilie war besonders schön.
»Murano-Glas«, sagte Cesare stolz. »Mein Großvater gehörte nämlich zu den vetraio – den Glasbläsern. Der rote Kelch war sein Meisterstück.«
Wenig später standen vor ihnen Teller voller dampfender kohlschwarzer Spaghetti. »Die sind mit Tintenfisch-Tinte gefärbt«, erklärte Cesare. »Eine Spezialität. Buon appetito! «
»Hm, na lecker«, maulte Jan, sobald Cesare in der Küche verschwunden war. »Schwarze Würmer aus dem Dschungelcamp!« Aber offenbar siegte der Hunger. Jan machte sich über die Nudeln her. Kristina horchte mit gespitzten Ohren, was Nonna mit Cesare in der Küche besprach. Viel verstehen konnte man nicht, Nonna flüsterte. Sie klang sehr besorgt, fast ängstlich. »… Du musst die Mauer sofort wieder abdichten«, hörte sie. »… Pezzi-Pack …«, und auch das Wort: »… Raketen …«
Dann hallte Cesares dröhnendes Lachen zu ihnen herein. Der alte Wirt kam in den Gastraum. »Ihr jagt das halbe Hotel in die Luft, um die kleine Pippa Pezzi aus dem Hof zu jagen?«, lachte er. »Ihr zwei seid ja noch verrückter als Sara früher!«
Immer noch lachend, ging er zur Garderobe und zog sich seinen Regenmantel und seine Stiefel an. »Ich finde das nicht so witzig«, meinte Nonna. »Kinder, Cesare und ich gehen. Und wagt es nicht, vor sechs heimzukommen.«
»Fühlt euch wie zu Hause«, setzte Cesare freundlicher hinzu. »Wenn ihr fertig seid, sagt Anna Bescheid – das ist meine Tochter. Sie ist nebenan in der Wohnung. Ihr könnt auch fernsehen. Und den Weg zurück zum Hotel findet ihr ja, oder?«
Kristina und Jan nickten. Dann klappte die Tür und sie waren allein. Nur nebenan, wo wohl die Wohnung lag, hörten sie den Fernseher laufen.
»Erst sollen wir helfen und jetzt will sie uns loswerden«, beschwerte sich Jan. »Ich will wieder heim!«
Kristina konnte ihn nur zu gut verstehen. Aber es half ja nichts. Und außerdem gab es hier noch ein Geheimnis zu lüften. »Wir müssen unbedingt mit den Pezzis reden«, sagte sie. »Pippa muss uns sagen, wer ihr den Totenkopfanhänger geschenkt hat.«
Jan nickte mit vollem Mund. »Glaubst du, der Dieb ist immer noch im Hotel?«, nuschelte er.
Kristina nickte. »Und ich bin sicher, da ist irgendwo ein Garten.«
»Sag ich doch.« Jan kaute eine Weile auf den Nudeln herum, dann schoss er mit einem Mal hoch. Schon war er auf dem Weg in die Küche. Schubladen gingen auf und wurden mit Schwung wieder zugeworfen. Kurz darauf erschien Jan wieder an der Tür und hob triumphierend eine Tüte Mehl hoch. »Damit erwischen wir den Dieb«, erklärte er und stopfte ein paar Handvoll in die leere Tüte, in der vorhin die Böller gewesen waren. »So machen es nämlich die Geisterjäger: Mehl auf den Boden streuen, dann sieht man morgens die Fußabdrücke, wenn jemand im Zimmer war.«
Sara
ENDLICH SAH ER SIE bei Tageslicht! Sie trat eben aus dem roten Palazzo und blieb auf der Treppe direkt am Wasser stehen, flankiert von zwei rot-weißen Pfählen, an denen Boote angebunden waren. Der Dunkle richtete sich in seiner Gondel auf und betrachtete sie genau. Sie trug einfachste Kleidung, die voller Staub war. Eine grobe Jacke und sogar Männerhosen wie ein Fischer. Aber trotz dieser Verkleidung hätte er sie unter Tausenden sofort erkannt. Nichts konnte den Schimmer verbergen, der sie umflirrte und den die gewöhnlichen Menschen nicht wahrnahmen. Regentropfen fingen sich in ihren Locken und glänzten wie ein Diadem aus gläsernen Perlen. Dort wo sie am Kanal stand, sammelten sich Schwärme silbriger Fische. Und die Wellen schwappten wie kleine, aufgeregte Welpen, die sich zu ihren Füßen auf den Rücken warfen und um ihre Aufmerksamkeit heischten. Sie bemerkte nichts davon. Sie war tieftraurig, das konnte der Dunkle sogar auf die Entfernung spüren. Nun zog sie etwas aus einer Tasche. Es war wohl ein kleines Schriftstück, ein rechteckiges Papier. Das scharfe Ratschen, als sie es durchriss, klang zu ihm herüber. Eine Träne löste
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