Laqua - Der Fluch der schwarzen Gondel
umbringen, euer Vater wird mir die Schuld an der ganzen Sache geben. Wenn das Museum Anzeige erstattet, kriegst du Hausarrest, bis du achtzehn bist.« Sie schüttelte den Kopf. »Und von allen Polizisten in Venedig muss es dann auch noch ausgerechnet der Fiesling Fedele sein!«
»Fedele heißt ›der Treue‹«, meldete sich Jan zu Wort.
»Ach, was du nicht sagst«, antwortete Sara.
»Warum hast du ihn eigentlich mal buffone genannt?«
»Weil er einer ist «, erwiderte Sara ungeduldig.
»Woher kennst du ihn?«, bohrte Jan weiter. »Warum bist du so böse auf ihn?«
»Herrgott, Fedele und ich konnten uns noch nie leiden«, brauste Sara auf. »Sein Vater war früher Bürgermeister. Er selbst hat immer gedacht, er sei etwas Besseres. Typisch, dass er bei der Polizei gelandet ist. Da kann er kleinen Mädchen ungeschoren Angst einjagen.«
»Klein bin ich schon lange nicht mehr und ich hatte keine Angst«, sagte Kristina gekränkt. Jedenfalls nicht vor Fedele, fügte sie in Gedanken hinzu. Wenn sie ehrlich war, hatte sie ihn sogar sehr nett gefunden.
»Echt, der Sohn des Bürgermeisters?«, fragte Jan. »Dann war Fedele der Junge, den du als Kind in den Kanal gestoßen hast, weil er einen Stein nach einer Katze geworfen hat?«
»Und ich würde ihn mit Freude sofort wieder in die Lagune tunken«, murmelte Sara grimmig. Sie beschleunigte ihre Schritte und lief voraus. Jan nutzte den Augenblick sofort und drängte sich näher an Kristina heran. Zum ersten Mal konnten sie kurz miteinander sprechen, ohne dass sie belauscht wurden.
»Wir haben dich in San Polo gesucht und dann war da ein Schrei, aber du warst nirgendwo«, wisperte er ihr zu. »Nur mein Piratenschuh lag in einer Gasse. Der Dieb hat im Hotel die Schuhe geklaut und war dann an der Schlittschuhbahn, oder? Hast du ihn verfolgt?«
Eines musste man Jan lassen: Er war wirklich clever.
Kristina nickte. »Er muss gewartet haben, bis wir aus dem Haus waren. Hast du Spuren im Mehl gesehen?«
»Ich habe nicht geschaut«, erwiderte Jan kleinlaut. »Als wir beim Hotel ankamen, hat schon das Museum angerufen, und wir sind sofort wieder losgelaufen.«
»Dann müssen wir sofort nachsehen«, antwortete Kristina leise und schloss zu Sara auf.
Dass irgendetwas im Hotel nicht stimmte, merkten sie schon von Weitem. Im zweiten Stock stand ein Fenster offen. Der Vorhang hing nach draußen und wehte im Wind. Kristina klingelte Sturm, aber Nonna machte nicht auf.
»Komisch.« Sara kramte ihren Hausschlüssel hervor. »Vielleicht läuft ja der Staubsauger und sie hört deshalb das Klingeln nicht.«
Aber Kristina und Jan warfen sich einen wissenden, besorgten Blick zu. Und als wollte jemand ihre Ahnung bestätigen, drangen jetzt seltsame Geräusche durch die Tür. Ein Rauschen und seltsam krächzende Hexenschreie.
»Beeil dich, Sara, da drin ist jemand!«, rief Kristina. Sobald die Tür auf war, rannte sie als Erste hinein. Und konnte gerade noch hinter einem runden Tisch in Deckung gehen. Die Möwe, die im Sturzflug auf sie zugehalten hatte, drehte mit einem heiseren Kreischen ab. Ein ganzer Schwarm schwarzer Möwen flatterte im Hotelfoyer herum und balgte sich. Flaumfedern schwebten wie schwarze Schneeflocken auf Kristina herunter, der Glaslüster schwankte über ihr gefährlich hin und her. Die Möwen zerrten mit ihren Schnäbeln daran und pflückten die bunten Glasgehänge herunter.
Sara stürzte sofort zur Rezeption und holte sich einen der Regenschirme aus dem Schirmständer. Damit begann sie, die Möwen hinauszuscheuchen. Blitzschnell verschwanden die Vögel mit den Glasgehängen in den Schnäbeln durch die offene Tür in Richtung Canal Grande. Die Vianellos blieben mitten im größten Durcheinander zurück. Umgekippte Stühle lagen kreuz und quer im Hotelfoyer, Vasen waren zerbrochen, alle Schubladen waren aufgerissen. Papier lag verstreut auf dem Marmorboden, als hätte jemand etwas gesucht.
»Das können unmöglich nur die Möwen gewesen sein«, flüsterte Sara. »Es waren bestimmt Einbrecher.«
Aber Kristina wusste es besser. Und das Einzige, woran sie nun denken konnte, war Nonna. Hoffentlich war sie nicht in Gefahr!
Sie schnappte sich ebenfalls einen Regenschirm als Waffe und stürmte los. Kristina war schon fast bei der Treppe angekommen, als sie oben Türenklappen und Lärm hörte. Und dann ertönte ein Getrippel, als würden Tausende von Meerschweinchen im oberen Stock herumgaloppieren. Eine Tür schlug, dann erklangen von oben ein erschrockener
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