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Laqua - Der Fluch der schwarzen Gondel

Laqua - Der Fluch der schwarzen Gondel

Titel: Laqua - Der Fluch der schwarzen Gondel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Blazon
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hob Sara die Hand, als wollte sie nach einem Traumbild greifen. Und langsam und unerbittlich wie ein Krokodil, das auf sein Opfer zuschwimmt, glitt die Gondel mit der Gestalt im Kapuzencape auf sie zu.

Fortunatos Fische

    WIE EIN ERSCHRECKTER VOGELSCHWARM flatterte Papier durch die Luft, als Kristina auf der Treppe mit voller Wucht gegen eine Frau prallte. Aktenordner segelten zu Boden. Kristina hörte nicht auf das wüste Schimpfen der Frau, sondern sprang über die letzte Stufe und stürzte nach draußen. Eiswind nahm ihr den Atem. Möwengekreisch hallte in ihren Ohren – und gerade als sie den Mund öffnete und all ihre Kraft in den warnenden Schrei legte, ergriff Sara eine schwarze, schattige Hand.
    In diesem unendlich langen Moment erstarrte die Zeit. Die Möwen schienen wie festgefroren am Himmel zu verharren, Sara hing wie ein Fisch an einer schwarzen Angel – und der Dunkle lachte. Noch nie hatte Kristina einen solchen Laut gehört, es war ein schabendes Geräusch wie Kreide, die über Schiefer schleifte. Es sträubte jedes Haar auf ihrem Kopf. Näher und näher kam die Gestalt, dann erst begriff Kristina, dass ihre Beine immer noch auf Sara zurannten und dass sie aus voller Kehle schrie. Sara schloss die Augen, ihre Knie gaben nach – gleich würde der Dunkle sie zu sich auf die Gondel ziehen. Wasser spritzte auf. Aber nicht, weil Sara fiel, sondern, weil sie zurückgerissen wurde. Luca war an Kristina vorbeigezogen, hatte einen Arm um Saras Taille geschlungen und riss sie zurück zur Piazza – im selben Moment, als Kristina die Stufe erreichte und mit aller Kraft ausholte. Ehe sie selbst wusste, was sie da tat, bohrte sie ihre Silbergabel in den schwarzen Arm. Der Schrei des Dogen war das Fauchen eines Vulkans, verzehrend heiß, und er schien Kristinas Seele zu versengen. Entsetzt prallte sie zurück und blickte auf eine schwarze Maske. Dunkel und schattenlos wie Samt war sie, kein Lichtstrahl fand darauf Halt. Nur zwei ebenso schwarze, schmale Augen blitzten böse auf. Dann löste sich der Bann der Zeit. Wasser spritzte auf, als Kristina, Luca und Sara auf die überschwemmte Stufe fielen. Sara war frei!
    »Weg hier«, keuchte Luca. Sie nahmen Sara in ihre Mitte und zerrten sie hoch, stolperten die Treppe hinauf zum Platz. Sara war wie benommen. »Wo … was …«, stammelte sie.
    »Wir müssen nach Hause!«, rief Kristina. »Hilf mit, na los!«
    »Holt sie zurück«, wisperte die kratzende Stimme im Nebel.
    Dann erschütterten drei Schläge Kristinas ganzen Körper. Der Doge hatte mit dem Riemen gegen die Gondel geschlagen, als wollte er jemanden herbeirufen. Jemanden – oder etwas ? Kristina wurde es siedend heiß und sie rannte noch schneller. Die Straßenlaternen auf dem Platz vibrierten wie schwingende Stimmgabeln. Die Tauben flatterten erschreckt hoch, Hunde begannen zu heulen und panisch an den Leinen zu zerren.
    »Die Möwen!«, stieß Luca hervor. Der fliegende Wirbel stürzte sich auf sie und umkreiste sie wie ein Orkan, Schnäbel zerrten an ihren Jacken und Schals. Kristina verlor fast das Gleichgewicht, als Flügel sie wie gefiederte Ohrfeigen trafen. Mit ihrer Gabel hackte sie verzweifelt nach einem Schnabel, der mit einem fiesen Klacken direkt vor ihrer Nase zuschnappte. Luca schlug ebenfalls um sich, dann eilten schon einige Passanten herbei und halfen mit Regenschirmen und Spazierstöcken. Kristina und Luca duckten sich und schleppten Sara weiter. Luca wählte die Wege so weit weg von den Kanälen wie möglich. Aber die Möwen verfolgten sie, ein fliegender Wegweiser für den Dogen. Jedes Mal wenn sie über eine Brücke stolperten, tauchte die Gondel auf, getragen von Nebel und einer Welle aus Gischt, als zögen weiße Pferde sie wie einen Streitwagen durch die Stadt.
    »Was ist das?«, keuchte Sara.
    »Unser schlimmster Feind«, erwiderte Kristina nur. »Er wollte dich umbringen. Wir müssen ins Hotel!«
    Seite an Seite rannten sie nun, Fußgänger anrempelnd, unter Weihnachtssternen und Lichtgirlanden dahinstolpernd, die in der ersten Dämmerung ihr blaues Licht auf die alten Fassaden warfen.
    »Nur noch zwei Straßen«, keuchte Luca. Doch dann bremste er ab. Schlitternd, mit brennenden Lungen kamen sie vor einer Brücke zum Stehen. Kleine Hände klammerten sich an das eiserne Brückengeländer, wieselflinke Körper hangelten sich aus dem Wasser. Die Augen der Donnole glühten in der blauen Weihnachtsbeleuchtung kalt und gefährlich. Und von fern trieb unerbittlich die Gondel heran.

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