Laqua - Der Fluch der schwarzen Gondel
Verbindungen sehen, die sich weit über die Jahrhunderte spannten. Unauffällig beobachteten Jan und sie Tante Sara. Und jetzt, da sie wussten, wonach sie Ausschau halten mussten, fielen ihnen erstaunliche Dinge auf: Wenn Sara am Kanal entlangging, strebten kleine Wellen wie zufällig in ihre Richtung. Unter den Brücken, auf denen sie stand, sammelten sich silbrige Fische. War sie zornig, erhob sich oft ein Wind und kräuselte das Wasser, und war sie gut gelaunt, verwandelte es sich in einen glatten Spiegel. Und nicht zuletzt bekamen die Fotos, die Sara den Kindern früher von ihren Expeditionen zu den Walen geschickt hatte, im Rückblick eine ganz neue Bedeutung: Sara in einem Boot im Wasser, so glücklich lachend, als wäre sie in ihrem Element.
Luca jobbte mehr als je zuvor, um die letzten Ferientage auszunutzen, bevor die Schule wieder anfing. Kristina und Jan, die im Hotel helfen mussten, bekamen zum ersten Mal eine Ahnung davon, was es hieß, wirklich zu arbeiten, um eine Familie über Wasser zu halten. Jan sprach nicht mehr über Geister, er zog jetzt häufig am Abend mit Pippa und den Donnole alleine los. Er und Pippa liebten es, auf langen Museumsfluren Skateboard zu fahren. Und oft leistete Donno ihnen dabei Gesellschaft.
Für Kristina gab es ein ziemlich müdes Leben am Tag mit viel Gähnen am Frühstückstisch und viel Rennerei im Familienhotel. Doch kaum war es im Palazzo dunkel und ruhig geworden, begannen Nächte voller Magie in einem ganz anderen Venedig. Sie und Luca wagten sich nachts nicht mehr auf die Insel und hielten sich von den unergründlichen schwarzen Fluten fern. Stattdessen erkundeten sie andere Gänge, sie wanderten in leere Paläste und durch Museen, in denen die Vergangenheit so lebendig war, dass Kristina manchmal nicht mehr wusste, was eine Spiegelung und was Wirklichkeit war. Wie besessen folgten sie Violettas Spuren. Manchmal erhaschten sie einen Blick auf sie in einer Menschenmenge, in einem Palazzo, wo sie mit schattenhaften Würdenträgern sprach – oder an der Mole, bei den Fischerbooten. Mehr als einmal entdeckten sie auch Fortunato. Der lachende, fröhliche Mann scherzte am Hafen mit den anderen Fischern und einmal schlüpfte er nachts durch ein Fenster – und eine Hand in einem lila Seidenhandschuh streckte sich ihm entgegen. Über den Fluch fanden sie allerdings nichts heraus und Luca wurde von Tag zu Tag mürrischer und verzweifelter.
»Ihr werdet nie darauf kommen, was Marco über den ferro herausgefunden hat«, sagte Sara eines Morgens, als Kristina todmüde von einer langen Nacht auf Violettas Spuren ihren Kakao schlürfte. »Ratet mal, für wen die Gondel damals gemacht wurde – die Familie Dandolo. Genauer gesagt für unsere Violetta.« Jan verschluckte sich am Kakao und hustete. »Die Gondel hat ihr gehört? Nicht dem Dogen? Aber wie kam er dann zu dem Gefährt?«
»Keine Ahnung. Aber ich hätte fast ein altes Familienerbstück weggeworfen. Verrückt, nicht wahr? Gerade begutachten noch ein paar Experten im Museum für Stadtgeschichte den ferro . Aber heute Nachmittag bringt Marco ihn zurück.« Sie stand auf. »So, und jetzt an die Arbeit. Ich habe euch einen Einkaufszettel geschrieben: Geht zum Gemüseboot und besorgt alles für das Frühstücksbuffet, wir brauchen frische Tomaten, Obst und Eier. Wenn ihr Lust habt, schaut euch die Befana -Regatta auf dem Kanal an. Cesare ist ja so stolz darauf, sich als Hexe verkleidet in das Rennen zu stürzen.« Sie rollte mit den Augen. »Seit Tagen redet er von nichts anderem.«
Jan musste kichern. »Kommst du mit zur Regatta?«
Sara schüttelte den Kopf. »Einer muss an der Rezeption bleiben, bis Cesare wieder da ist. Und heute Nachmittag stehen wieder mal Behördengänge an. Die Bürokratie wegen der Anmeldung unseres Wohnsitzes und die ganzen Formulare, damit ihr hier zur Schule gehen könnt, machen mehr Arbeit als das Hotel.«
»Fedele hat dir doch angeboten, dass er sich darum kümmert«, sagte Kristina. Ein Blitz aus Saras Augen traf sie. Beinahe hätte Kristina losgelacht, aber das war bei Tante Sara eine schlechte Idee. Zumindest wenn es um Fedele ging. Er war in den letzten Tagen oft wie zufällig vorbeigekommen und hatte mit Cesare einen Kaffee getrunken, in der Hoffnung, dass Sara mit ihm sprechen würde.
» ’ tschuldigung«, lenkte sie ein. »Aber du musst zugeben, er gibt sich ziemlich viel Mühe, findest du nicht?«
»Hast du schon ein Karnevalskostüm für euren Tanz?«, ergänzte Jan mit einem
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