Laqua - Der Fluch der schwarzen Gondel
ab.
»Danke für dein Mitleid«, sagte er bitter. »Aber davon können wir uns nichts kaufen. Ich muss diesen Fluch brechen, aber ich komme mir vor, als würde ich ständig nur im Nebel herumstochern. Und währenddessen geht bei uns zu Hause alles den Bach runter.«
»Vielleicht kann deine Mutter im Hotel arbeiten?«
Luca schnaubte. »Damit das Hotel abbrennt oder sonst wieder irgendein blödes Pech für Chaos sorgt?« Er schüttelte den Kopf. »Geh heim, wenn du willst. Ich gebe nicht auf, ehe ich etwas gefunden habe.«
Er rannte einfach davon, mitten durch eine Gruppe von schemenhaften Gestalten, Spaziergängern aus alter Zeit.
»He!«, schrie Kristina, aber Luca verschwand schon zwischen zwei Gebäuden. Aber so einfach ließ sie sich nicht abwimmeln. Sie rannte los, ihre Schritte hallten in den Gassen, aber Luca schien vom Erdboden verschwunden zu sein. Nun, sie konnte sich denken, wo er hinwollte. Zum nächsten Tor, Nummer 15. Rasch bog sie ab und sprintete über eine kleine Brücke. Ein Mann mit einer Fischermütze war noch wach und werkelte auf einem winzigen Boot. Kristina spürte ein seltsames Kribbeln im Nacken, als würde er ihr hinterherschauen, doch als sie im Laufen über die Schulter blickte, war das Boot unter der Brücke verschwunden. Keuchend rannte sie um die Ecke – und bremste schlitternd ab, um nicht gegen Luca zu prallen. Er stand an die Wand gelehnt. Und diesmal lächelte er und deutete auf eine Spiegelgestalt. Sie trug einen Kapuzenmantel, aber Kristina erkannte die hagere, hochgewachsene Gestalt und den federnden Gang. Fortunato huschte geduckt weiter, von Schatten zu Schatten, und Kristina und Luca folgten ihm. Der Weg führte im Bogen zurück zum Markusplatz und von dort aus zur Brücke Ponte della Paglia . Von dort aus hatte man einen direkten Blick auf die Seufzerbrücke. Im Schatten der Palastarkaden blieb Fortunato stehen.
»Er wartet auf jemanden«, flüsterte Luca. »Vielleicht auf Violetta?«
Aber es war nicht Violetta, die zwischen zwei Arkaden an der Ecke des Palastes erschien. Es war ein Schatten, ein schwarzer Schatten ohne Gesicht und Augen. Nur der Umriss des Mannes war zu sehen.
Kristina und Luca duckten sich unwillkürlich tiefer in den Sichtschutz der Brücke.
»Weißt du auch, wer das ist?«, wisperte Luca, der es ebenfalls erraten hatte.
Kristina nickte beklommen. Es gab nur einen Mann im Dogenpalast, der von der Stadt für immer verdammt worden war. Dessen Gesicht ausgelöscht wurde, weshalb selbst sein Spiegelwesen nur noch als schwarzer Schatten in der Stadt herumspukte.
Fortunato schien den Dogen erwartet zu haben. Er zog einen Beutel unter dem Umhang hervor. Er war aus Schlangenhaut gemacht.
Kristina sah sogar auf die Entfernung, dass an einer Stelle ein paar Schuppen fehlten. Schon wollte Fortunato auf den Dogen zuhuschen, aber dann schreckte er zurück.
Ein paar Männer waren aufgetaucht. Sie umzingelten den Dogen. Geisterhaft durchsichtige Schwertschneiden leuchteten auf.
Fortunato reagierte blitzschnell. Mit einem Satz hatte er sich über die Brüstung der Brücke geschwungen und kletterte nach unten, den Beutel zwischen den Zähnen. Während der Doge verhaftet und abgeführt wurde, tauchte Lucas Ahne im schwarzen Lagunenwasser unter, um sich zu verstecken. Das Letzte, was Kristina von ihm sah, war die Angst in seinem Gesicht.
Noch eine ganze Weile, nachdem der Spuk vorbei war, wagten sie nicht, sich zu rühren.
»Er hat irgendeinen Handel mit dem Dogen gemacht!«, flüsterte Kristina. »Doch dann wurde der Doge verhaftet, weil seine Verschwörungspläne aufgeflogen sind. Und dein Vorfahr konnte fliehen, bevor sie ihn auch entdeckten.«
Mit einem Schaudern dachte sie an die Beschreibung der Glasmesser. Zumindest zu diesem Zeitpunkt hatte Fortunato noch ein Riesenglück gehabt. Er hätte auch im Gefängnis landen können, als Mitverschwörer von Faliero – sonst wäre er vielleicht nur wenige Minuten später mit einem Glasdolch zwischen den Rippen im Kanal gelandet.
Luca war so fassungslos, dass er erst einmal kein Wort herausbrachte.
»Das darf einfach nicht wahr sein!«, stammelte er. »Mein Ahne war ein Verräter und steckte mit dem schwarzen Dogen unter einer Decke!«
Fischer und Prinzen
SEIT TAGEN MUSSTE ER auf der Hut sein, denn dieses Boot schützte ihn nicht wie die magische Gondel. Es war ungelenk, aber klein genug, dass er sich darin in den schmalsten Seitenkanälen verbergen konnte, in der Hoffnung, hier nicht entdeckt zu werden.
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