Lara Adrian- 07- Gezeichnete des Schicksals
stutzig. Er ging zurück und kniete sich daneben.
„Lieber Gott. Mach, dass ich mich täusche“,
flüsterte er und schob vorsichtig seine Hand in das Maul, vorbei an den
scharfen Zähnen, so weit er konnte. Er stieß einen Fluch aus, als seine Finger
weiches Tuch und darin etwas Festes streiften. Hinten in der Kehle des Grizzlys
war etwas versteckt.
Kade zog ein kleines verschnürtes Säckchen heraus,
das mit einem metallischen Klirren in seiner Handfläche landete. Er löste die
Kordeln und schüttete den Inhalt aus. Mehrere goldene Ringe glitten in seine
Hand, zusammen mit einem geflochtenen Lederarmband, an dem ein Bärenzahn hing -
und abgeschnittene menschliche Haarsträhnen von vielen unterschiedlichen
Köpfen, einige noch mit getrocknetem Blut verkrustet.
Worum es sich hier handelte, war nur allzu
offensichtlich...
Andenken, die Seth gesammelt hatte. Das verborgene
Versteck eines Killers, voller Trophäen, die er seinen Opfern abgenommen hatte.
„Du Hundesohn“, stieß Kade rau hervor. „Du
verdammter kranker Hundesohn.“
Wut und Kummer prallten in seinem Magen
aufeinander. Er wollte nicht glauben, was er sah. Er wollte Entschuldigungen
finden, jede mögliche Erklärung war ihm recht, außer der einen, die wie eine
Alarmglocke in seinem Schädel schrillte.
Sein Bruder war ein Killer.
Hatte er auch die Familie Toms so
verabscheuungswürdig angegriffen?
Etwas tief in Kade wollte einfach nicht wahrhaben,
dass sein Bruder eine ganze Familie abgeschlachtet haben sollte.
Auch wenn ihm das Grauen wie Eis in den Eingeweiden
saß, musste er mehr wissen, bevor er Seth anklagen konnte, ein solches Monster
zu sein. Er brauchte Beweise. Hölle noch mal, er musste seinem Bruder in die
Augen sehen und die Wahrheit von ihm fordern, ein für alle Mal.
Und wenn sich herausstellte, dass Seth schuldig
war, dann würde Kade tun, was getan werden musste. Was er schon damals hätte
tun sollen, als er zum ersten Mal die Beweise dafür gesehen hatte, wie wenig
Seth ein Menschenleben bedeutete.
Er würde seinen gottverdammten Bruder zur Strecke
bringen und töten.
8
Der Großteil der Gäste bei Petes an diesem Abend
umlagerte die Bar im vorderen Teil, die lauten Stimmen lagen im Wettstreit mit
einem lärmenden Hockeyspiel im Satellitenfernsehen, und aus der Musikbox neben
der Toilettentür und dem Durchgang zum Hinterzimmer plärrte ein alter Song der
Eagles. Alex und Jenna saßen sich an einem der Tische in der Mitte der Kneipe
gegenüber. Sie hatten ihr Abendessen schon vor einer Weile beendet und teilten
sich nun ein Stück von Petes hausgemachtem Apfelkuchen. Dazu tranken sie ihre
Biere aus, sie waren schon abgestanden. In der letzten Stunde hatte Jenna
öfters gegähnt und auf die Uhr gesehen, aber Alex wusste, dass ihre Freundin zu
höflich war, sie hier allein sitzen zu lassen. Selbstsüchtig wollte Alex ihren
Besuch länger hinauszögern. Sie hatte auf dem Kuchen und einem letzten Bier
bestanden, hatte sogar ein paar Vierteldollars in die Musikbox geworfen, nur
damit sie sagen konnte, dass sie noch auf ihr Lied warten wolle, bevor sie
gingen.
Alles nur, um noch nicht in ihr leeres Haus
zurückgehen zu müssen.
Sie vermisste ihren Vater mehr denn je. Er war so
lange ihr bester Freund und Vertrauter gewesen. Ihr starker, liebevoller
Beschützer, als ihre Welt in einem Albtraum der Gewalt untergegangen war. Er
wäre der Einzige gewesen, der die unaussprechlichen Ängste verstehen würde, die
jetzt in ihr tobten. Er wäre der Einzige gewesen, an den sie sich hätte wenden
können, der Einzige, der ihr sagen konnte, dass alles wieder gut würde, und sie
fast davon überzeugte, dass er das tatsächlich glaubte.
Jetzt war sie, abgesehen von ihrem Hund, alleine,
und sie hatte Angst.
Sie wurde fast überwältigt vom Drang, ihre Zelte
abzubrechen und wegzulaufen vor dem, was sie an diesem schrecklichen Tag bei
der Ansiedlung der Toms gesehen hatte. Aber wohin? Wenn ihre Flucht von Florida
nach Alaska nicht weit genug gewesen war, um den Monstern zu entkommen, die in
ihren Erinnerungen lauerten, wohin sollte sie jetzt noch fliehen?
„Willst du den ganzen Abend weiter mit deiner Gabel
rumspielen, oder willst du was von diesem Kuchen?“ Jenna trank den Rest ihres
Bieres aus und stellte die Flasche hörbar auf dem rauen Holztisch ab. „Du
wolltest doch Nachtisch, und jetzt esse ich ihn dir weg.“
„Tut mir leid“, murmelte Alex und legte ihre Gabel
hin. „Da waren die Augen wohl wieder größer als der
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