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Lass den Teufel tanzen

Lass den Teufel tanzen

Titel: Lass den Teufel tanzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Teresa De Sio
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Hühnerkacke auf dem Boden wälzten und dann Ewigkeiten einfach liegen blieben, kurzatmig, voller Dreck und Kot, mit Hühnerfedern in den Haaren und der mathematischen Gewissheit, dass das Haus nebenan nicht mehr existierte, dass der Hühnerstall der Mittelpunkt der Welt war und das Leben einfach immer so weitergehen würde.
    Als er jedoch jenes erste Mal den Flur des Klosters betrat, hatte er das Gefühl, zwei große schwarze Schwingen flögen über seinen Kopf hinweg, und er begriff, dass jenes gewaltige Vogeltier mit ein, zwei Flügelschlägen die sonnenbeschienene Welt für immer verdunkeln würde.
    Im Lauf der Zeit sollte Severino auch begreifen, dass die Erwachsenen lügen, wenn sie sagen, dass man aus Erfahrungen klug wird. Wieso soll man das? Wenn dir so viele Dinge geschehen, eins nach dem anderen, die du dir vorher nicht einmal hast vorstellen können, wenn sich von einem Tag auf den anderen alles ändert und du immer noch überzeugt bist, es ist Donnerstag, dabei ist es bereits Sonntag … Wozu soll es denn gut sein, wenn man weiß, dass das größte Glück in den Hühnerfedern und dem Gestank des Federviehs liegt, und darin, wie er und Archina auf dem Boden herumrollen und raufen, weil sie ihm nicht zeigen will, was sie in dem kleinen Beutelchen hat, das sie immer an ihren Gürtel bindet … Was nützt es? Vielleicht, dass er und Archina noch einmal zusammen Kinder sein dürfen? Und wo? In wie vielen Jahren? Unter welchem Himmel? Gewiss, in diesem Fall, und nur in diesem, hätte er sehr wohl gewusst, wie er
jene reine Freude noch einmal heraufbeschwören könnte, das absolute Fehlen von Gedanken und von Kummer, jenes vollkommene Vertrauen in den Fortbestand der Welt, das er immer dann, wenn er mit Archina spielte, empfunden hatte. Doch schon hatte das Geschehene ihm gezeigt, dass es nicht so kommen würde und dass nichts in ihm noch einmal das Glück wiederauferstehen lassen würde, das er einmal empfunden hatte.

    Die Nonnen trugen weder Schuhe mit Absätzen noch Stiefel, sondern bequeme Filzschlappen, die keine Geräusche machten, praktischerweise beim Gehen auch gleich den Boden polierten und außerdem hervorragend dazu geeignet waren, urplötzlich und ohne Vorwarnung irgendwo aufzutauchen und einen der Zöglinge dabei zu überraschen, wie er sich den Rotz mit der Hand von der Nase wischte oder heimlich außerhalb der erlaubten Stunden etwas aß. Und los ging es mit dem Strafen, so grausam und einfallsreich. Gewiss machen Prügel immer einen verdammt nachhaltigen Eindruck, diese Lektion hatte auch Severino schnell gelernt. Ein direkter Schlag, unvermittelt, ohne viel Worte und Umschweife, ein kurzer Hieb, zwei oder drei harte Backpfeifen, rechts und links auf Höhe der Ohren, blitzschnell, bevor man auch nur hoffen konnte, einem gerechten Prozess ausgesetzt zu werden. Zack, zack, zack! Das würde dem Gezüchtigten zu denken geben, denn er wusste, für jedes Vergehen gab es die entsprechende Strafe, Brot für Brot, Rotz für Rotz, Vesper für Vesper, wenngleich es auch manchmal einen Bluterguss gab oder ein kleines Blutgerinnsel aus dem linken Ohr. Ach nein, dachte der Gezüchtigte, nicht gleich, denn
zuerst war er damit beschäftigt, den besten Fluchtweg ausfindig zu machen, den schnellsten Zugang zum Garten, wo er sich irgendwo zusammenkauern und so lange wie möglich versteckt halten könnte. Erst später dachte er darüber nach, wenn er wieder auf seinem Zimmer war und über die besondere Härte der Strafe sinnierte. Doch wem hätte er, Severino, es überhaupt erzählen können? Die anderen Kinder, die nicht im Internat wohnten, sondern nach dem Unterricht nach Hause gehen durften, konnten es wenigstens ihren Eltern erzählen. »Ja, willst du etwa behaupten, die Nonne hat nicht recht? Sie hat dich geschlagen, du Muttersöhnchen? Da hat sie gut daran getan! Wer weiß, was du wieder angestellt hast! Heute Abend werde ich es dem Vater sagen, wenn er nach Hause kommt, dann schlägt er dich grün und blau. Und du bleibst ganz still auf dem Sofa liegen, ganz still, hörst du?« Gewiss auch hier keine Wiedergutmachung, und keine Hoffnung. Und nicht einmal eine einleuchtende Erklärung von den Eltern.
    All das sollte dazu beitragen, die Rotznasen und das unerlaubte Essen aus jenem Reich zu verbannen, das frei von menschlichem und schulischem Elend war, aus jenem Garten der kindlichen Freuden, um sie in eine dunkle und furchterregende Unterwelt zu schleudern. In eine hochgradig sündhafte und verdorbene

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