Lass dich lieben - Lucy
ging es weiter und weiter. Zoe war in ihrem Element. James wusste aus Erfahrung, dass es unmöglich war, sie zu stoppen, solange sie ein neues Publikum mit bunten Details aus ihrem Privatleben faszinieren konnte.
»Sollte ich Ihren Hugh kennen?« erkundigte Lucy sich höflich.
»Also wirklich, James«, tadelte seine Mutter. »Hast du Lucy denn gar nichts über dich erzählt?«
»Ich bin sicher, du wirst dieses Versäumnis wettmachen«, erwiderte er und folgte ihnen auf die Veranda. Glücklicherweise besaß seine Mutter die Gabe, Gäste in ihren Bann zu schlagen ein Talent, über das er heute ausgesprochen froh war, da er doch wusste, wie unberechenbar Lucy war.
»Hugh… Hugh Greenaway… Er war James ein fabelhafter Vater. Genau das, was der Junge nach all den Jahren gebraucht hat, in denen er mit einer Schauspielertruppe herumziehen, in schäbigen Pensionen wohnen und endlose Stunden totschlagen musste, während wir arbeiteten. Es wundert mich heute noch, dass er mir nicht vom Sozialamt weggenommen wurde.«
»Vergiss nicht, ich hatte eine Menge Onkel und Tanten«, warf James trocken ein, um das Bild vom vernachlässigten Kind zu korrigieren.
Um keinen Preis der Welt hätte er seine Kindheit gegen eine andere eintauschen mögen. Er hatte alles über das Leben und die Menschen gelernt, was es zu lernen gab. Und trotzdem hatte er häufig andere Jungen um ihre Väter und die gemeinsa- men Aktivitäten beneidet. Wenn er von Anfang an einen Vater wie Hugh gehabt hätte…
»Es war ein unstetes Leben, Liebling«, beharrte seine Mutter.
»Ständig musstest du die Schule wechseln.«
Das war weniger schön gewesen, räumte James im Stillen ein.
»Setzen Sie sich dorthin, Lucy.«
Zoe deutete anmutig auf einen Rattansessel neben dem thronartigen Gebilde, das sie selbst als Sitzgelegenheit bevorzugte. James beobachtete die beiden Frauen und hoffte inständig, seine Mutter möge Lucy noch für eine Weile mit der Familiengeschichte fesseln.
»Ich hole uns etwas zum Knabbern«, verkündete er und kehrte in die Küche zurück.
Sollte Lucy die Erzählungen seiner Mutter doch interpretieren, wie sie wollte. Ihm war es gleichgültig – solange sie nur blieb.
Lucys Gedanken überschlugen sich. War es möglich, dass James bereits seit geraumer Zeit eine Schwäche für sie hegte und nicht erst seit dem Wohltätigkeitsball? War Buffy – oder jede andere Frau – jetzt völlig aus dem Rennen? Hielt er sie tatsächlich für die erotischste Frau, der er je begegnet war? Es war… zu schön, um wahr zu sein.
Und als Krönung des Ganzen saß sie nun hier mit seiner Mutter und wurde so schnell mit Informationen über James versorgt, dass sie es kaum verkraften konnte. Da James sich in die Küche zurückgezogen und sie somit von seiner verwirrenden Nähe befreit hatte, versuchte sie, sich ganz auf Zoe Hancock zu konzentrieren.
Die ältere Frau hatte prächtiges Haar, dicht und lockig. Die leuchtende Farbe verdankte sie zweifellos den Künsten eines Friseurs – immerhin musste sie in den Fünfzigern sein. Der helle Teint verriet allerdings, dass sie eine echte Rothaarige war. Ihr Gesicht war erstaunlich faltenfrei, vielleicht auf Grund einer kosmetischen Operation, aber die ausdrucksvollen blauen Augen und der fröhliche Zug um den Mund verliehen ihm ungeheure Faszination. James hatte die gleichen blauen Augen, doch mehr Ähnlichkeiten mit seiner Mutter konnte Lucy nicht entdecken.
Sein Vater – das kurze, heftige Feuer in Zoe Hancocks Leben hatte offenbar die dunklen, attraktiven Gene beigesteuert. Lucy fragte sich, ob der Mann wohl wusste, dass er einen Sohn gezeugt hatte. Wie kurz war kurz? Nach allem, was sie bislang gehört hatte, war er an James’ Erziehung nicht beteiligt gewesen. Sie überlegte, ob James sich ebenso benachteiligt fühlte wie sie durch das Verschwinden ihres Vaters.
»Dies war Hughs Anwesen. Ich glaube, ich habe mich in das Haus verliebt, bevor ich mich in ihn verliebt habe.« Zoe blickte versonnen auf den Hafen und die mächtige Brücke, die sich über die Bucht spannte. Seufzend lächelte sie Lucy an. »Er hat es uns hinterlassen, als er starb. In letzter Zeit bin ich häufiger unterwegs als hier. Glücklicherweise kümmert James sich um alles.«
»Ich könnte mir vorstellen, dass er es genießt.«
Zoe nickte. »Es ist das einzige echte Heim, das er je kennen gelernt hat. Weiß der Himmel, wo er gelandet wäre, wenn Hugh nicht für eine ordentliche Ausbildung gesorgt und sein Interesse für
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