Lass es bloss nicht Liebe sein
an.
» Das Buch gehörte einem sizilianischen Geschäftsmann. Er besaß eine große Sammlung klassischer Erotikliteratur. Die Sammlung wurde gestohlen, vermutlich ein Auftragsraub, und nachher aufgeteilt, um die wertvollen Bücher einzeln über dubiose Kanäle ins Ausland schmuggeln zu können. Aller Wahrscheinlichkeit nach sollte der fragliche Titel in Nairobi von jemandem in Empfang genommen werden, aber Robbie war dummerweise schneller. Dieser Sizilianer kontaktierte Weston’s in London über seine Anwälte. Er will absolut ausschließen, dass von der Sache auch nur irgendwas an die Öffentlichkeit dringt, also keine Zeitungen, keine Polizei, nichts, er will bloß sein Buch wiederhaben. Und dieser Mann bekommt für gewöhnlich, was er will.«
Lily zog den Kimono fester um sich und setzte sich leise schniefend im Bett auf. Dabei ließ sie William nicht aus den Augen.
» Den Namen des Sammlers darf ich Ihnen nicht sagen. Ich kann Ihnen jedoch versichern, dass er in Sizilien eine große Nummer ist und ein mächtiger Mann, der nicht lange fackelt.«
» Sie meinen, er ist ein Mafioso?«, flüsterte sie. » Das wird ja immer skurriler!«
» Mit den Typen ist nicht zu spaßen, glauben Sie mir. Außerdem hab ich darüber kein Wort verloren, das mit der Mafia haben Sie gesagt.«
» Und Sie? Arbeiten Sie auch für die Mafia?«, entfuhr es ihr mit vor Entsetzen gehobener Stimme.
» Nein, nein. Jetzt machen Sie mal einen Punkt. Ich arbeite für Weston’s, die von einer angesehenen Anwaltskanzlei, Studio Legale Andreano in Rom, beauftragt wurden, das Buch diskret wiederzubeschaffen. Diskret lautet das Zauberwort für diese Operation. Würde die Polizei eingeschaltet, würden zwangsläufig die italienischen Behörden informiert. Und die beschlagnahmen das Buch bei Weston’s, sobald ich fündig werde. Der Titel gilt nämlich ursprünglich als gestohlen, und zwar aus dem Archäologischen Museum von Neapel.«
» Seit wann interessiert sich die Mafia für alte Bücher? Haben die Jungs nicht auch so schon genug Dreck am Stecken?«
» Kleiner Tipp von mir: Ich an Ihrer Stelle würde so was nicht laut äußern. Kunstobjekte, moderne wie alte Kunst, werden von organisierten Verbrechersyndikaten häufiger als Form der Vergütung ausgetauscht, wenn Geldtransfers zu gefährlich wären.«
» Oh.« Sie schlug sich mit der flachen Hand vor den Mund. Ihr war zwar von Anfang an klar gewesen, dass er ein bisschen Spannung in ihr Leben bringen würde, aber das hier war ihr zu real, zu beängstigend.
» Was ist mit unserem Tee?« Sein Blick glitt vielmeinend von ihr zur Tür.
Grundgütiger, ihr Kimono war bis zu den Oberschenkeln hochgerutscht, stellte sie entsetzt fest. Es war wirklich das Beste, wenn er sich schleunigst aus dem Schlafzimmer verkrümelte. » Gehen Sie schon mal vor und brühen Sie ihn auf. Ich zieh mir schnell was Wärmeres an.« Sie registrierte die Erleichterung in seinem Blick. Er drückte die Tür hinter sich zu. Sie schnappte sich Jeans und T-Shirt. Puh, es war wirklich schwere Kost, was er ihr eben verklickert hatte. Kaum zu glauben, dass ein internationaler Kunstraub seine fiesen kleinen Tentakel nach ihrem beschaulichen Dasein ausstreckte. Sie hörte, wie William in der Küche mit dem Wasserkessel hantierte, und öffnete die Schlafzimmertür. Er brachte eben die Teekanne zum Tisch.
» Und was machen wir jetzt? Wie sollen wir Robbie finden?«
» Ich wünschte, Sie würden mir das Buch zeigen. Ich meine, wenn es noch hier ist.«
Lily zuckte ratlos mit den Schultern und setzte sich. » Robbie meinte, da könnte ja jeder kommen und dass wir Sie erst gründlich checken müssten.«
» Und, haben Sie?«
» Ja.«
Eine längere Pause schloss sich an.
» Diese Sammlung zu stehlen war idiotisch. Zumal der besagte Kunstsammler auch vor Mord nicht zurückschreckt, wenn es darum geht, sein Ehre zu retten. Schon mal den Begriff Ehrenmord gehört? Ehre und Rache sind bei den Sizilianern untrennbar verbunden. Wenn die gestohlenen Stücke nicht schleunigst wieder auftauchen, wird er Blut sehen wollen– um sein Gesicht zu wahren, wenn Sie verstehen.«
» Robbies Blut?«
» Durchaus möglich, auch wenn er unfreiwillig zum Empfänger der gestohlenen Objekte wurde. Die Polizei kann da nicht viel machen. Ich hatte gehofft, ich könnte noch mit ihm reden, bevor er sich mit dem Buch absetzt. Jetzt muss ich ihn zweifellos finden, bevor es die anderen tun.«
» Die anderen?«
» Das Buch ist über zwanzig Millionen
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