Lass Es Gut Sein
unbeirrbar als besondere Weisheit deutet.
Wer wollte Dietrich Bonhoeffer widersprechen, der erklärte, es sei ganz entscheidend, ob die Machthaber sich mehr von der Klugheit des Volkes beflügeln lassen oder ob sie sich mehr von der Dummheit und der Verdummungsbereitschaft versprechen. »Bosheit trägt den Keim der Selbstzersetzung in sich, aber gegen Dummheit sind wir wehrlos, weil Gründe nicht verfangen, Tatsachen einfach nicht zur Kenntnis genommen werden, Vorurteile strikt festgehalten werden. Dumme sind in der Regel restlos mit sich selbst zufrieden. Einen Dummen durch Gründe überzeugen zu wollen, ist sinnlos und gefährlich.« (Das schrieb Bonhoeffer zum Jahreswechsel 1942/43 – zehn Jahre nach Hitlers Machtergreifung und nach zehn Jahre währender Verirrung der meisten Deutschen.)
Die Macht der einen braucht die Dummheit der anderen. Menschen werden dumm gemacht und lassen sich dumm machen, ohne noch wahrzunehmen, wie das ihr Denken und Fühlen beeinträchtigt. Es wird in unserer medial dominierten Welt darauf ankommen, ob die Mächtigen (in Politik, Wirtschaft, Kirche und Medien) sich mehr von der Dummheit und manipulativen Lenkbarkeit der Menschen oder aber mehr von innerer Selbständigkeit, Kritikfähigkeit und Klugheit versprechen.
Alles Lug und Trug? Das Vertrauen in die Demokratie
Wichtigstes Gut der Demokratie ist das Vertrauen ihrer Bürger in die Verlässlichkeit ihrer Regeln sowie das Vertrauen in Personen, die die Demokratie auf Zeit repräsentieren. Die Staatsform »Demokratie« braucht eine generelle Zustimmung zu ihren Grund-Prinzipien, nicht bloß partielle Zustimmung für diese oder jene Partei bei den Wahlen. Dort, wo die Bürger ihr die Akzeptanz entziehen, sich enttäuscht, resigniert oder wütend zurückziehen, nicht einmal mehr den Weg in die Wahllokale schaffen, kommt die Demokratie in Gefahr. Sie wird hohl – ganz |56| zu schweigen von der Weigerung, an einer Diskussion über anstehende politische Programme oder konkrete Entscheidungen sachkundig und beharrlich, statt vorurteilsvoll und aktionistisch teilzunehmen.
Die innere Grundlage für Vertrauen in die Demokratie kann der Staat nicht mit Gesetzen, Appellen oder äußeren Machtmitteln herstellen oder sichern. Vertrauen gibt es einerseits als freien Vorschuss – mit allem Risiko! –, und es ist andererseits Resultat von guter Erfahrung. Regierende können Vertrauen immer wieder neu rechtfertigen und ausbauen oder es wieder und wieder verspielen, indem sie gleichgültig oder arrogant Raubbau an dieser lebenswichtigen Ressource der Demokratie betreiben.
Wähler erwarten mit Recht von den Gewählten, den Beamten und Angestellten auf allen Ebenen Regelungskompetenz und von allen Funktionsträgern im jeweiligen Verantwortungsbereich eine selbstverständliche Gesetzestreue, ein bürgerfreundliches Auftreten sowie ein erkennbares Bemühen um Annäherung zwischen Reden und Verhalten (also Glaubwürdigkeit) und – bei allem Machtwillen – ein gerüttelt Maß an uneigennützigem Engagement. Die Bürger haben ein Recht darauf zu wissen, woran sie wirklich mit wem sind. Sie haben einen Anspruch darauf, dass der, der ein Amt ausübt, dies mit Sachkompetenz, persönlichem Einsatz und einer bestimmten Adäquatheit – oder sagen wir besser: Würde – ausübt. Ein wenig mehr Demut, ein wenig Selbstdistanz und Selbstkritikfähigkeit, ganz wenig Arroganz – das wär’s.
Demokraten können selber als Totengräber der Demokratie fungieren, wenn die Bürgerinnen und Bürger zunehmend den Eindruck gewinnen, dass viele ihrer Repräsentanten die Bodenhaftung längst verloren haben, an ihren Ämtern und Titeln kleben, sich geschickt von anstehenden Sachproblemen fernhalten, eine Sprechblase nach der anderen absondern, ausgedroschene Floskeln aneinanderreihen und sich wünschelrutenartig an populistischer Zustimmungsfähigkeit orientieren. So wird z. B. einerseits die Lage auf dem Arbeitsmarkt oder die Lehrstellensituation schöngeredet, während man andererseits ökologische, |57| gesundheitliche und soziale Folgekosten – z. B. einer Megamastanlage für Schweine – oder Belastungen – durch Aufhebung von Nachtflugverboten – einfach wegredet. Meist wohnt man selber weit weg vom Gestank und Lärm.
Zustimmungssüchtige lassen sich von Stimmungen oder vom Zeitgeistigen treiben – und sei es, dass ein immer schneller wechselnder Zeitgeist feuilletonistisch-antreiberisch auf sie wirkt. Was sagt
WELT
, was der
SPIEGEL
, was erst der
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