Lass Es Gut Sein
Fakten-Fakten-
FOCUS
? »Wie kann ich mich ins rechte
BILD
setzen?« – solche Prüffragen scheinen für manchen Mandatsträger das einzige Problem zu sein, über das er sich fortdauernd Gedanken macht.
Im Medienzeitalter lassen sich Politiker dazu verführen, besonders an ihrem äußeren Erscheinungsbild, ihrem Image, zu arbeiten und dabei den Inhalt dessen, was sie vertreten, immer flexibler und gekonnter vage zu halten, damit sie auf nichts wirklich festgelegt sind. Den Leuten soll einfach nur ein guter Eindruck vermittelt werden. Um wie andere Interessen- oder Firmenvertreter gut rüberzukommen und auf Beliebtheitsskalen obenan zu stehen, halten sich Mandatsträger hochbezahlte Imageberater, Coaches, die ihnen zu einem ansprechenden Outfit verhelfen – was ihre Haartracht, ihre Brille und ihre Garderobe betrifft. Darüber hinaus üben sie ihre Auftritte und Redefiguren. Gut bezahlte, aber für nichts haftbare Berater entscheiden, wann sie wohin gehen und wie sie sich in welcher Presse inszenieren. Die Hauptsache wird der Effekt, der schöne Schein, nicht das Denken und Handeln. Was in der Sache versäumt wird, soll im Image wettgemacht werden. Das ist schlicht eine teuer bezahlte Täuschung. Sind die Bürger misstrauisch genug und erkennen, wenn eine schöne Hülle bloß die inhaltliche Leere und Beliebigkeit verdecken soll?
Eine generelle Schelte über »die da oben« wäre indes genauso falsch wie faul. Wer genauer hinsieht, wird feststellen, dass es nicht wenige Politiker gibt, denen man mit guten Gründen vertrauen kann. Sie verdienen und bedürfen Beachtung und Achtung. Gerade deshalb sollte sich jeder einzelne Politiker klarmachen, wie leicht Misstrauen und Enttäuschung in pauschale Wut |58| umschlagen können. Die Frage, ob sein Handeln integer erscheint und es auch tatsächlich ist, sollte jeder für sich bejahen können. Der Maßstab sollte für diejenigen, denen wir als Volkssouverän Macht über uns in die Hände gelegt haben, nicht allein die Legalität ihres Tuns sein.
Welche Signale haben die von uns Gewählten, die Beamten und Angestellten des Bundes in den letzten Jahren an uns Bürger gesandt? Thomas Leif, Vorsitzender des Netzwerks Recherche und Chefreporter Fernsehen beim SWR, hat den Kontrast zwischen dem Verwaltungsfilz in der Bundesagentur für Arbeit und seinen Opfern – den Arbeitslosen, die vor der Kamera ihren Unmut kundtaten – eindrucksvoll vorgeführt. Mit jeder Sendeminute wuchs bei einem Zuschauer, der noch eine Arbeit hat, Angst und Grausen. Man möchte nur ja nicht in die Maschinerie dieser Mammutbehörde BA geraten!
Der jetzige BA-Chef Weise erklärte kalt, das Arbeitsamt habe »keinen sozialen Auftrag«. Was aber 90 000 Mitarbeiter in 650 BA-Geschäftsstellen in Deutschland mit einem Gesamtbudget von etwa 50 Milliarden Euro ohne sozialen Auftrag eigentlich anfangen, das ist eine Frage, die sich wohl jeder Zuschauer jener Recherche stellte.
Offensichtlich funktionieren die Seilschaften durch alle Kontrollgremien hindurch, denn diese Schildbürgerei der Arbeitsagentur stieß nirgends auf Kritik. Nicht einmal Franz Müntefering wies jene programmatische Aussage des BA-Chefs zurück, dass die BA »keinen sozialen Auftrag« habe. Das Ganze hat eine äußerst fatale Vorgeschichte: Der als Reformer eingesetzte Florian Gerster sollte als ein hochbezahlter Boss die BA zu »einem modernen Dienstleistungsunternehmen« umbauen. Er beanspruchte und bezog nicht nur ein fulminantes Salär, sondern behandelte Mitarbeiter wie ein autokratischer Chef einer Privatfirma. Er ging mit dem Geld um, als wäre es sein eigenes Unternehmen. Gerster hat viel Vertrauen in die Agentur selbst verspielt. Zu Recht war die Empörung in der Öffentlichkeit groß, als bekannt wurde, dass er dem Beratungsunternehmen
WMP Eurocom
einen millionenschweren PR-Auftrag erteilt |59| hatte, der zuvor nicht einmal ordnungsgemäß ausgeschrieben worden war.
Wenn man sich zudem vor Augen hält, wer alles bei jener hochbezahlten Imageberaterfirma tätig ist und großes Geld abschöpft, das aus Beitragszahlungen von vielen kleinen Arbeitnehmern kommt, dann meldet sich verständlicherweise kalte Wut. Dass in dieser Image-Mogel-Firma ehemalige Chefs der
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-Zeitung arbeiten, wird in jenen Kreisen offenbar als Ausweis besonderer Kompetenz angesehen.
Ein zweites Beispiel: Nur massiver, massenhafter Protest führte bei der Deutschen Bahn zur Rücknahme eines neuen Preissystems und zur Wiedereinführung der Bahncard
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