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Lass Es Gut Sein

Titel: Lass Es Gut Sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Schorlemmer
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ja geradezu den Verdacht verstärken, die meisten Politiker seien besonders gewiefte Abzocker oder gar »Volksbetrüger«, wie viele Bürger inzwischen verächtlich bemerken. Genau das können sich die zweifelhaften Verächter der Demokratie von rechts populistisch-demagogisch zunutze machen.
    Ein abschließendes prominentes Beispiel: Eine der letzten Amtshandlungen Gerhard Schröders war 2005 die Übereinkunft zwischen der deutschen Bundesregierung und dem russischen Großkonzern
Gazprom
, eine Erdgasleitung durch die Ostsee zu verlegen. Nach seiner Wahlniederlage wurde Schröder Aufsichtsratsvorsitzender der
NEGP Company
, deren Mehrheit der russische Gaslieferant hält. Was ist so etwas? Korruption? Oder einfach Vorteilnahme? Oder Ausdruck verlässlicher Freundschaft zwischen Deutschland und Russland? Es mag ja sogar alles – rein juristisch – mit rechten Dingen zugegangen sein. Und doch bleibt mindestens ein schaler Beigeschmack. Im Oktober 2006 legte der Altkanzler mit der denkbar geschicktesten Vermarktung seine Erinnerungen ausgerechnet mit zeitgleichen Vorabdrucken bei
BILD
und
SPIEGEL
vor, die ihn 2005 so gnadenlos »heruntergeschrieben« hatten. Worum geht es ihm eigentlich? Um sich und um sich und vielleicht auch noch um |62| ein besonders sattes Honorar für sein Buch? Der »Unterschicht« im Hartz-IV-Keller bleibt die Spucke weg. Da sage noch einer, man käme nicht von unten nach oben, wie es der Schröder vorgemacht hat!
    Sind Politiker wirklich »alle korrupt«, wie man das heutzutage oft hört? Diesem Eindruck durch Handeln, nicht bloß durch Worte entgegenzutreten wird dringlich. Wenn der Bürger denkt,
alles
sei auf
allen
Ebenen doch nur Lug und Trug, sieht er selbst auch nur zu, wie er sich zu seinem eigenen Vorteil am Lug und Trug – z. B. durch Schwarzarbeit oder mit diversen Steuervermeidungstaktiken – eigensüchtig beteiligen kann.
    Wer über Missbrauchsverlockungen von ALG-II-Empfängern klagt, sollte den Missbrauch von Vergünstigungsmöglichkeiten in der Oberklasse nicht beschwichtigend übersehen oder Empörung darüber lediglich als Neiddebatte abtun.
    Natürlich: All diese Beispiele rechtfertigen nicht eine allgemeine bequeme Abmeldementalität von allem Politischen, eine fortschreitende – medial geschickt inszenierte – Selbstverblödung und passive Räsonierkultur, der sich viele erwachsene Bürger »bewusstlos« hingeben.
    Unsere Demokratie beruht auf gemeinsam akzeptierten Werthaltungen. Für deren praktische Gültigkeit zu sorgen ist wohl Sache
aller
, zuvörderst aber derer, die das demokratische System repräsentieren. Die politische Klasse braucht mehr Klarheit darüber, welch hohen Akzeptanzverlust unser politisches System bereits erlitten hat und wie leicht das von Gegnern der Demokratie im Namen des »Nationalen« genutzt werden kann. Der Vertrauensverlust betrifft nicht nur die Regelungskompetenz und den Regelungswillen der
einzelnen
Politiker, sondern – und das ist schlimmer! – alle Politik, letztlich die Staatsform Demokratie selbst. Jede Enttäuschung über die Demokratie ist autoritär zu missbrauchen. Das sollten Demokraten keinen Moment lang vergessen.
    |63| Agenten im Dienst der Demokratie
    Kein Staat meint, auf einen eigenen Geheimdienst verzichten zu können. Und alle Geheimdienste arbeiten im Verborgenen. Das liegt in der Natur ihrer speziellen Aufgabe und stellt in einem demokratischen Staat ein nicht zu unterschätzendes Problem dar. Trotz aller Konspiration muss deren Wirken nämlich transparent – also auch kontrollierbar – bleiben. Wir Bürger können nicht
blind
darauf vertrauen, dass der Bundesnachrichtendienst einzig und allein zum Schutz der Demokratie mit den einer Demokratie angemessenen Methoden arbeitet. Demokratische Kontrolle der »geheimen Kontrolleure« ist für das Vertrauen in die Demokratie unabdingbar. Kontrolle ist manchmal nicht nur besser als Vertrauen, sondern sogar notwendig! Wer will schon Agenten vertrauen müssen? Spitzeln wird leicht zur Sucht, Verselbständigung zur Gefahr, Geheimdienstler werden zu oft jedem dienstbar: Die »Organisation Gehlen« als Vorläufer des BND bestand im Wesentlichen aus einstigen Gefolgsleuten – Fachleuten! – des Nazisystems. Die Nazis selbst arbeiteten dem NKWD in die Hände und umgekehrt.
    Lenin selbst wurde 1917 mit Unterstützung des Deutschen Reiches geheim nach Russland geschleust. Und sein Aufenthalt in Zürich war ihm als »nützlichem Idioten« auch finanziert worden.

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