Lass Es Gut Sein
kostet, z. B. um über die Machtmittel zu verfügen, die er braucht, um im Konfliktfalle sein Recht gegen Rechtsbrecher, gegen die Gegner |53| der Toleranz, gegen jede Gewaltverherrlichung und alles rassistische Gebaren oder gar gegen Kriegsverbrecher durchsetzen zu können – oder aber auch, um in diversen Notlagen oder Katastrophen einspringen zu können.
Was »weniger Staat« praktisch bedeuten kann, haben die Opfer des Hurrikans Katrina im August 2005 in New Orleans bitter erfahren müssen. Das dortige Katastrophenmanagement darf uns kein Beispiel, sondern muss uns Warnung sein! Also: Kein Absterben des Staates, auch keine Privatisierung öffentlicher Güter und Aufgaben (z. B. der öffentlichen Sicherheit und der entsprechenden Sicherheitsdienste), sondern Förderung eines Gesetzesrahmens, der
freie
Entfaltung und
solidarisches
Auffangen ermöglicht, sollte unsere – europäische – Devise bleiben!
Der vorsorgende und der nachsorgende Sozialstaat, der die Initiative und die Leistungsbereitschaft in einem freiheitlichen Gemeinwesen stimuliert, soll unser gemeinsames Ziel bleiben. Deshalb haben die Politiker auch dafür Sorge zu tragen, dass öffentliche Güter – Wasser, Natur- und Kulturreichtümer – nicht bedenkenlos privatisiert und damit – gnadenlos! – kommerzialisiert werden. Gesundheit, Bildung, Kultur und Sicherheit sind Bereiche, in denen das Primat der Politik durch die Regierenden sorgsamst zu behaupten ist. Was verloren ist, ist verloren. (Als Beispiel sei der massenweise Verkauf von städtischem Wohnraum genannt. Nach einer gewissen Schamfrist werden die Mieter zu spüren bekommen, was es heißt, dass Wohnung nur noch ein Wirtschaftsgut ist und möglichst hohe Rendite abwerfen soll.) Und wir Bürger tun gut daran,
unseren
Staat zu behaupten – gegen seine äußeren und inneren Feinde und gegen alle, die ihn andauernd schlechtreden und jene miese Stimmung beklagen, die sie selbst befördern wie einige Medien, die daraus Gewinn zu schlagen trachten.
Gegen »den Staat«, »die Parteien«, »die Bürokratie« zu wettern ist populär und wird häufig bedenkenlos populistisch ausgenutzt. Das geschieht an Stammtischen genauso wie an den feinen Tafeln der »Neuen Mitte« – oder in Redaktionsstuben und |54| in Fernsehstudios. Das dumme Volk kann leicht von »Brüllern« animiert werden, ehe es wieder (mit-)brüllt.
Die einen polemisieren unablässig gegen die »zu hohe Staatsquote«, stellen alle Ausgaben, die der Weltmarkttauglichkeit nicht dienen, infrage, fordern mehr Entscheidungsspielraum, Verantwortungs- und Risikoübernahme durch den Einzelnen, auch bei der Vorsorge vor den Lebensrisiken Krankheit, Alter und Arbeitslosigkeit. Sie haben ihre Schäfchen längst im Trockenen und treten jetzt nach unten. Wahrscheinlich vermuten sie, dass sie selbst in ihrem Leben nicht mehr auf staatliche Sozialleistungen angewiesen sein werden.
Andere schimpfen bloß auf »die da oben« und zweifeln, dass Politik überhaupt noch etwas bewirken kann. Sie sind befallen von jener ansteckenden Tatenlosigkeit, die bereits 1992 von der
Gesellschaft für deutsche Sprache
zum Wort des Jahres gewählt wurde: »Politikverdrossenheit«. Der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker hatte den Parteien seinerzeit zu Recht vorgeworfen, sie seien »machtversessen auf den Wahlsieg und machtvergessen bei der Wahrnehmung der inhaltlichen und konzeptionellen politischen Führungsaufgaben«. Politiker sollten wahrlich in sich gehen und überlegen, warum seit den frühen 90er Jahren Parteien- und Politikverdrossenheit immer größere Teile der Bevölkerung befällt und sich mittlerweile schon zur »Volkskrankheit« ausgeweitet hat. Und die von den Regierenden Enttäuschten sollten ebenso ernsthaft nachdenken darüber, was hilfreicher ist: politische Partizipation oder völliger Rückzug aus der Mitverantwortung. Den Staat
lebendig
zu halten kann in der Demokratie nur eine
gemeinsame
Sache sein. Ohnmachtsgefühle verstärken die Ohnmacht und verleiten zur Passivität.
Es stinkt im Staate Deutschland, von oben bis unten. Ausmisten ist allemal besser als – ganz von draußen! – über den Gestank zu klagen – oder sich gelangweilt, frustriert, empört abzuwenden, nicht einmal mehr zur Wahl zu gehen. Mittlerweile sind das mehr als 50 Prozent! Tägliche Erfahrung bringt einen zu der bestürzenden Schlussfolgerung, dass mindestens ein Drittel »des |55| Volkes« mit einer Dummheit geschlagen ist, die eben diese Dummheit
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