Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Lass Es Gut Sein

Titel: Lass Es Gut Sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Schorlemmer
Vom Netzwerk:
zweigeteilten Welt, dann bleibt weiterhin der fatale Eindruck zurück, dass es im Blick auf die DDR immer noch ausschließlich um »Siegergesetzgebung« geht und dass
allein
die Staatssicherheit des Übels Kern darstellen würde.
    Die Geheimdienste an sich sind zumeist das Übel, dem sie wehren wollen. Also: Keine Relativierung der menschenverachtenden, menschenzersetzenden Tätigkeiten der Staatssicherheit – aber eine Einordnung in die Zusammenhänge während der |66| Zeit des »Wettkampfes der Systeme« täte um der Wahrheit und der Verhältnismäßigkeit willen not. Stattdessen werden IT-gestützt Schnipsel aus Stasi-Säcken aufwendig zusammengeklebt. Lediglich die Stasi bleibt »Objekt der Neugier« – vor allem durch einige ewig im Gestrigen verhaftete Bürgerrechtler und einige medienwirksame, mit antikommunistischen Reflexen aufgeladene Westler. Aber wir sollten nicht auf einem Auge blind bleiben und den Machenschaften der Geheimdienste nachgehen.
    Es wäre nach aller Erfahrung fahrlässig, blind auf die Legitimität aller Machtmittel zu vertrauen, die im Namen der staatlichen Sicherheit eingesetzt werden. Neben parlamentarischen Untersuchungsausschüssen bedarf es ständiger Wachheit und des Widerspruchswillens der Bürger gegenüber geheimen staatlichen Machenschaften, die dem Grundgesetz und den Gesetzen widersprechen. Der »Fall Masri« und der »Fall Kurnaz« beleuchten ein wenig die dunklen Machenschaften diverser Geheimdienste in demokratischen Staaten, insbesondere der CIA oder der NSA, die sich auch kaum um die Souveränität befreundeter Nationen scheren und weltweit agieren – mit einem Rabatt für Menschenrechte aufgrund des »Antiterrorkrieges«. Es gilt auch hier, unsere grundlegenden Werte praktisch zu schützen, selbst wenn dies Konflikte mit großen Freunden einschließt.
    Von Niedergang und Notwendigkeit der Bürgerbewegung
    Im vereinten Deutschland spricht man gemeinhin von den Widerständlern gegen das SED-Regime und von »ehemaligen Bürgerrechtlern« als Inspiratoren und Anführern des revolutionären Umbruchs in der DDR. Das suggeriert, nur in der DDR hätte es der Bürgerrechtler bedurft, in der Demokratie würden sie nicht gebraucht. Dagegen halte ich: In Ost wie West ist eine bedenkliche Abstinenz und Müdigkeit gegenüber allen politischen Prozessen zu beobachten. Doch ohne wache und einsatzbereite Bürger, wie sie sich in
Attac
, in
Amnesty-International -Gruppen
, |67| in diversen überregionalen oder lokalen Bewegungen und Initiativen sammeln, wird unsere Demokratie ausgehöhlt.
    Am 3. August 1990, exakt zwei Monate vor dem »Tag der deutschen Einheit«, richtete einer der wichtigsten Inspiratoren der Friedens- und Bürgerbewegung in der DDR, der damalige Superintendent an der Kreuzkirche in Dresden, Christof Ziemer, einen Brief »an die Bürgerbewegungen in der DDR«. Er schrieb: »Ich sehe mit Sorge, dass die Bürgerbewegungen ihre Kraft und Kreativität verlieren. … An die Stelle einer breiten, bürgernahen Basisbewegung tritt die Sorge ums politische Überleben. An die Stelle der Sachorientierung auf nötige Veränderung tritt das Ringen um politische Mandate. An die Stelle der notwendigen gemeinsamen Suchbewegung tritt die Aufsplitterung in einzelne Initiativen und die Durchsetzung partieller Interessen. Das Erscheinungsbild der Bürgerbewegungen wird nicht durch die Sachanliegen und Aktivitäten an der Basis, sondern durch das Verhalten im Parlament bestimmt. Es wäre verhängnisvoll, wenn die Bürgerbewegungen im tagespolitischen Macht- und Interessenstreit ihre Kraft vergeuden. … Das A und O der Bürgerbewegung ist ihre breite, außerparlamentarische Präsenz und Entfaltung. Gerade die sehr wünschenswerte parlamentarische Aktivität hat nur eine reelle Chance, wenn sie von einer intensiven Basisarbeit getragen wird. Das gilt umso mehr, als die Bürgerbewegungen in absehbarer Zeit keine parlamentarische Mehrheit erlangen werden. Das Hauptziel muss deshalb darin liegen, eine breite Zustimmung zu wichtigen Veränderungen – unabhängig und quer zu den politischen Parteien – bei den Bürgern zu erreichen.«
    Was man als Parteien-, dann als allgemeine Politikverdrossenheit bezeichnet, zeichnete sich bereits 1990 ab, als die Parteien alle Initiative an sich rissen. Die Bürgerrechtsbewegung in der DDR war ein Zweckbündnis unterschiedlichster Menschen gewesen, die vor allem eines verband: dass sie die kommunistische Einheitsgesellschaft unter Führung der SED

Weitere Kostenlose Bücher