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Lass Es Gut Sein

Titel: Lass Es Gut Sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Schorlemmer
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gemeinsam unsere Zukunft gestalten können.
    Vielleicht mit einer neuen
Bescheidenheit
, mit einer neuen
Demut
, mit einer neuen
Einfachheit
erneut nach dem
Sinn
suchen, weil die bloßen
Zwecke
das Leben nicht erfüllen können. Die bloß individuelle und spirituell fokussierte Frage nach dem inneren Reichtum wird nur zu sinnvollen Resultaten führen, wenn zugleich die Frage nach der Verteilung des zur Verfügung stehenden sozialen und materiellen Reichtums gestellt wird. Die Verteilungsfrage darf im real existierenden Kapitalismus weder tabuisiert noch den Apologeten des Neoliberalismus überlassen werden. Dazu aber bedarf es ganz neuer nationaler und internationaler Verbünde, entschlossener Koalitionen von Gewerkschaften, Kirchen sowie von all jenen, die nicht dulden wollen, dass sich die Welt in Gewinner und Verlierer teilt. Auf jeden kommt es an, auf alle kommt es an. Auf Sie kommt es an.
    Lieb dein Land
    Schwarz-Rot-Gold im Sommer 2006, wohin das Auge schaute, als ob wieder ein Einheitsrausch anstünde. Der Fußball war »Zu Gast bei Freunden«, die Gastgeber wollten allzu gern gewinnen und außerdem als Ausrichter einen gewinnenden Eindruck hinterlassen. Das ist gelungen. Fröhliche Fans, ein ganzes Volk angesteckt. Eine archaische Sehnsucht nach Zusammengehörigkeit, |167| nach Nationalität, nach einem großen WIR hat sich auf eine gänzlich unpolitische und kaum aggressive Weise wieder gemeldet. Wir stehen zu »unseren Jungs«, sie stehen für uns ein; aber das richtet sich nur in einem sportlichen Sinne gegen andere.
    Die deutschen Fußballer als »Weltmeister der Herzen«. Warum auch nicht? Wo gibt es noch solch öffentlich gezeigte, gemeinschaftsstiftende Emotion?
    Deutschland scheint in der Normalität des Nationalbewusstseins und des Nationalstolzes anderer Völker wieder angekommen zu sein. Solche Sätze waren im Sommer 2006 in Deutschland und bei unseren Nachbarn überall zu hören. Auf Nachfrage hat sich die Begründung bei den Fahnenschwenkern für Deutschland indes als ziemlich hohl erwiesen. Und es ist nicht von der Hand zu weisen, was sofort als Political Correctness bespöttelt worden ist: dass nationalistische Selbstüberhebung und Verachtung anderer Völker, Übergriffe gegen Fremde leichter weckbar als wieder eindämmbar sind. Nicht umsonst wurden immense Sicherheitsvorkehrungen getroffen und »No-go-areas« ausgerufen. Der Innenminister hatte Vorsorge getroffen, um – notfalls mit Panzern – gegen terroristische oder nationalistische Gewaltakte vorzugehen.
    In welchen Begriffen, Personen, Ereignissen, Zeilen, Symbolen finden wir uns als Deutsche gern wieder, ohne dass bei anderen wieder böse Erinnerungen wach werden?
    Schwarz-Rot-Gold – das sind die Farben der deutschen Demokratie! Aber mit welchem Nationallied sollen Menschen in größeren Mengen und bei feierlichen Anlässen ihrem Nationalgefühl Ausdruck geben? Man erinnere sich, wie das Lied Hofmann von Fallerslebens »Deutschland, Deutschland über alles« aus der Sehnsucht nach der Einheit des zersplitterten Landes hervorgegangen war und das Wort »Deutschland« sich über die partikularen Interessen der einzelnen Landesteile setzen sollte.
    Die Suche nach neuen Nationalsymbolen führte nach dem Ersten Weltkrieg zu erheblichen Auseinandersetzungen, bis der erste Präsident der Weimarer Republik, Friedrich Ebert, am 11. August 1922 zum Verfassungstag erklärte: »Wir wollen |168| keinen Bürgerkrieg, keine Trennung der Stämme. Wir wollen Recht. Die Verfassung hat uns nach schweren Kämpfen Recht gegeben. Wir wollen Frieden. Recht soll vor Gewalt gehen. Wir wollen Freiheit. Recht soll uns die Freiheit bringen. Wir wollen Einigkeit. Recht soll uns einig zusammenhalten. So soll die Verfassung uns Einigkeit, Recht und Freiheit gewährleisten. Einigkeit und Recht und Freiheit! – dieser Dreiklang aus dem Liede des Dichters gab in Zeiten innerer Zersplitterung und Unterdrückung der Sehnsucht aller Deutschen Ausdruck; er soll auch jetzt unseren harten Weg zu einer besseren Zukunft begleiten … es soll auch nicht dienen als Ausdruck nationalistischer Überhebung. Aber so wie einst der Dichter, so lieben wir heute ›Deutschland über alles‹. In Erfüllung seiner Sehnsucht soll unter den schwarz-rot-goldenen Farben der Sang von Einigkeit und Recht und Freiheit der festliche Ausdruck unserer vaterländischen Gefühle sein.«
    Friedrich Ebert hatte also damals schon insbesondere die dritte Strophe im Auge, während sehr bald die Nazis

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