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Lass Es Gut Sein

Titel: Lass Es Gut Sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Schorlemmer
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Patriotismus
    Die Inschrift »Für Gott und Vaterland« findet sich auf vielen alten Kriegerdenkmälern. Die Symbiose von Volk Gottes und Volk hatte nicht nur in deutscher Tradition verheerende Wirkungen. Kirche wollte Volkskirche sein. Und Christen teilten die Verblendung der großen Mehrheit der Deutschen, als die Wertschätzung des eigenen Volkes ins Völkische abglitt. Aus der biblischen Trias »ein Gott, ein Glaube, eine Taufe« konnte gar politisch »ein Volk, ein Reich, ein Führer« werden.
    Patriot zu sein hieß lange Zeit, alle Kräfte für sein Vaterland in Gehorsam gegen die jeweilige Obrigkeit einzusetzen, öfter auch, eine Höherstellung des Deutschen zu beanspruchen. In Deutschland ist Patriotismus – abgesehen von den Befreiungskriegen gegen Napoleon – zunächst an die vielen größeren oder kleinen Königreiche, Kurfürstentümer oder Herzogtümer gebunden gewesen, also an Bayern, Sachsen, Hessen, Preußen etc.
    |174| Einen großen, bisweilen mythisch überhöhten nationalistischen Schub erfuhr Deutschland, als das deutsche Kaiserreich nach dem Sieg über Frankreich mit »Blut und Eisen« neu gegründet wurde.
    Unsere Kirchen feierten bis 1918 stets feierlich den Sedan-Tag, den Tag
deutschen
Sieges und
französischer
Niederlage. Von der Reichsgründung in seiner kleindeutschen Variante her datiert der verheerende Nationalismus des 19. Jahrhunderts, verbunden mit der Abwertung anderer Nationen – bis hin zur rassistisch-nationalistisch-chauvinistischen Ideologie des Nationalsozialismus.
    Wir Deutsche können und dürfen nicht mehr von dem Zivilisationsbruch, der von unserem Volk ausgegangen ist, absehen. Die Erinnerung an das sogenannte »Tausendjährige Reich« und seine Verbrechen darf jedoch nicht »alles Deutsche« diskreditieren. Wir können uns mit guten Gründen auf positive deutsche Traditionen zurückbesinnen. Wer sich redlich erinnert und Mitverantwortung für die Vergangenheit nicht abschiebt, wird positiv von unserem Volk reden und sich mit einer bestimmten Dankbarkeit, ja vielleicht auch mit »Nationalstolz« auf deutschstämmige Persönlichkeiten beziehen, die Großes für unser Volk und für die Menschheit geleistet und das Weltkulturerbe bereichert haben. Ich nenne hier nur wenige Beispiele: die Musik von Bach und Brahms, die Dichtkunst Goethes und Heines, Thomas Manns und Bert Brechts, die Entdeckungen Wilhelm Röntgens oder Max Plancks.
    Ein geläuterter Patriotismus tut Menschen gut.
Solange
man die anderen Völker achtet und ihnen zugesteht, dass auch sie stolz auf ihre Heimat sind, bedeutet Patriotismus nichts anderes als positive Verankerung in einer Herkunft, die Besonderheit und Einmaligkeit des eigenen Volkes zu erkennen und Respekt oder gar Bewunderung für die anderen aufzubringen.
    Patriot ist, wer alles dafür tut, Krieg von seinem Vaterland abzuwenden und den Krieg gegen andere Vaterländer zu verhindern. Patriot ist, wer sich stets aller patriotisch-militärischen Stimmung verweigert, die im Konfliktfalle stets zu bedrohlicher |175| Gleichschaltung des Denkens und Fühlens ausartet – eben auch in freien, demokratisch verfassten Nationen.
    Der Prophet Jesaja warnte vor all jenen, die nicht sehen
wollen,
obwohl sie sehen
können
, und die nur hören wollen, was angenehm ist, all das schauen, was das Herz begehrt (Jesaja 30, 10). Statt sich innerlich auf Frieden vorzubereiten und mit innerster Kraft auf Frieden
hinzu wirken
und zu
hoffen
, sagen sie: »Nein, sondern auf Rossen wollen wir
dahin fliegen.
« Da prophezeit ihnen der Prophet: »darum werdet ihr
dahin fliehen
. Da sie sagen: »Und auf
Rennern
wollen wir reiten«, prophezeit er ihnen: »Darum werden euch eure Verfolger
über rennen

    Patriot ist einer, der sich zunächst für das Wohl seines Landes einsetzt, der gleichzeitig als Internationalist in der
einen Welt
darauf hinwirkt, dass Artikel 1 des Grundgesetzes für alle Menschen in der Welt gelten möge. »Die Würde des Menschen ist unantastbar.« Auch wem eine europäische oder weltbürgerliche Perspektive wichtiger ist, der wird seine Herkunft nicht leugnen, sondern sie in Größeres einbringen.
    Erst recht sollte das für Christen gelten. Denn in Christus sind sie alle eins, nicht mehr Jude oder Grieche, Sklave oder Freier, Mann oder Frau. Christen sind in diesem Sinne ganz Universalisten, keine Patrioten, für die Nation oder gar Blutsbande entscheidend wären – doch immer mit dem Vorbehalt: »Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die

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