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Lass Es Gut Sein

Titel: Lass Es Gut Sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Schorlemmer
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Kirchenfragen führte: |171| Entweder dieser Text kommt sofort raus oder der Schaukasten kommt ab.
    In Kinderliedmanier hatte ich damals für meine Freunde zum Jahreswechsel geschrieben
     
    Lieb dein Land.
    Brich die Wand.
    Verbind das Leid.
    Such, was eint.
    Und sag es weiter.
     
    »Lieb dein Land« war die trotzige Behauptung, dass dieses Land
unser
Land, nicht das Land der nicht legitimierten Kommunisten ist, dass man es nicht verlässt, weil es liebenswert ist und weil man es jenen nicht überlassen will, die es – mit einer sogenannten »historischen Gesetzmäßigkeit« folgenden Politik – für sich beanspruchen.
    »Brich die Wand« interpretierte die Staatsmacht sofort als Aufforderung, die Mauer, jenen »Antifaschistischen Schutzwall«, zu durchbrechen. Natürlich! 1983! Ich hatte alle zwischen Menschen, Parteien und Ideologien, aber auch zwischen Völkern und Blöcken aufgerichteten Wände im Sinn gehabt. Wir hatten in jenem Jahr den Vers »Mit meinem Gott kann ich über Mauern springen« (Psalm 18,30) erst entdeckt.
    »Verbind das Leid« zielte auf die Versöhnung zwischen Verfeindeten, auf die Sorge um Leidtragende in einer Zeit, in einer Gesellschaft, in der
einen
Welt.
    »Such, was eint«, wurde von den Zensoren sofort als Aufforderung, nach der deutschen Einheit zu streben, verstanden. Sicher war dies von mir auch intendiert, aber nicht an erster Stelle. Vor allem sollten die Worte als Aufruf verstanden werden, die sogenannten »antagonistischen Widersprüche« nicht hinzunehmen, das Einende und nicht das Trennende zu suchen.
    |172| Mein schönstes deutsches Wort
    Sein Vater-Land zu lieben heißt auch, seine Mutter-Sprache zu lieben. Unsere schöne deutsche Sprache verdient und braucht Pflege. Sie droht zu verarmen; Schönes, Tiefes, Wunderbares, Begeisterndes, Bereicherndes, Berührendes, Erheiterndes, Köstliches, Erhabenes, Aufrüttelndes und zu Herzen Gehendes wird z. B. weithin auf »cool«, »total gut« oder gar »geil« reduziert.
    Die vom Goethe-Institut initiierte Suche nach dem »Schönsten deutschen Wort« war – so absurd das auf den ersten Blick erscheint – ein wertvoller Beitrag zur Sprachpflege und zum Bewusstwerden vieler Muttersprachler für das Schöne, Reiche und Klangvolle unserer Sprache.
    Auf meiner Suche nach dem schönsten deutschen Wort habe ich beide Hände voll zu tun; körbeweise sammle ich sie ein.
    Worte ziehen Worte nach sich, an sich, zu sich. Worte stiften Sinn und entfalten sich im Gesang der Sprache. Ich wäge sie, werfe sie in die Luft, sitze staunend vor ihnen, murmele sie vor mich hin, höre ihnen nach, betaste sie rundum, ergründe ihren Ursprung. Und dann kaue ich sie. Jedes für sich. Ja, sie schmecken, je länger ich sie kaue, richtig durchkaue. Da erschließen sie mir ihre Geschmacksbreite. Welch ein Reichtum an Konnotationen tut sich auf (so nennen das die Sprachwissenschaftler).
    Ich beginne mit dem Wort »Du«. Du. Du. Du. Martin Buber hat eine ganze Philosophie um diese zwei Buchstaben gebaut. Dialogisches Prinzip nennt er das.
    Was wäre Ich ohne das Wort Du. Was ohne
mein
Du und was ohne
dein
Du?
    Die zusammengesetzten Worte haben es mir angetan, jene in andere Sprachen kaum übersetzbaren Doppel-Dreifach-Vierfach-Dingworte. Vom Heideröslein über das Fahrrad bis zum Friedensreich. Der Augenblick, die Himmelsschlüssel, das Ährenfeld. Der Honigmund, der Handkuss, das Briefgeheimnis, auch die Herzenswärme samt Verstandeskühle. Die Tiefenschärfe, der Grundton, der Mutterboden. Das Sonnenlichtflimmern, das |173| Weihnachtsbaumschmuckkästchen, die Erntewagenleitersprosse. Verschwiegen seien nicht die bürokratischen Ungeheuer wie die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, die Lernmittelkostenentlastungsverordnung, das Aufenthaltsgenehmigungsformular und der Eierschalensollbruchstellenverursacher.
    Mein liebstes Wort ist
Freimut.
Eindeutig. Der Mut zur Freiheit. Die unbefangene Offenheit. Die überwundene Angst. Das geläuterte Selbstbewusstsein. Freimut, flankiert von Demut und Sanftmut. Jedenfalls der Mut, man selbst zu sein, unermüdlich zu trotzen ohne Trotz.
    Frei-Mut = befreiender Mut und befreiter Mut. Ein Wort, das ich brauche – täglich wieder! –, das sich nicht abnutzt, an dem ich mich aufrichte, jetzt, da ich es ausspreche.
    Und dann laufe ich durch meine Alltage: Im Frühlingsrauschen, durch die Sommerfrische, bis zur Herbstfärbung und in die Wintergrüne.
    Ich komme wieder an im Augen-Blick und gewinne Frei-Mut.
    Christlicher

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