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Lass Es Gut Sein

Titel: Lass Es Gut Sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Schorlemmer
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nur die erste Strophe in einer militärischen Rhythmik singen und spielen ließen und seit dem 30. Januar 1933 stets in Verbindung mit dem Horst-Wessel-Lied:
     
    Die Fahne hoch! Die Reihen fest geschlossen.
    SA marschiert mit ruhig festem Schritt.
    Kam’raden, die Rotfront und Reaktion erschossen,
    Marschieren im Geist in unseren Reihen mit.
     
    Der Alliierte Kontrollrat hatte das Singen des »Deutschland-Liedes« 1945 untersagt, weil man darin einen Ausdruck des deutschen Ungeistes sah. Bei den Deutschen selbst war dieses Lied nach der Katastrophe dennoch populär geblieben. In den Debatten um eine Nationalhymne für die Bundesrepublik Deutschland unterlag schließlich Bundespräsident Theodor Heuss Kanzler Konrad Adenauer. Bei staatlichen Anlässen wurde seit 1952 wieder die dritte Strophe von Hoffmann von Fallersleben gesungen. Freilich wurde dabei stets die schwarz-rot-goldene Fahne gehisst.
    |169| In der DDR stellte sich die Frage nach einer möglichen Übernahme dieses Liedes überhaupt nicht. Dort wurde Johannes R. Bechers Text »Auferstanden aus Ruinen …« mit der Musik von Eisler zur Hymne bestimmt. Die Schwülstigkeit des Textes wie der Melodie fanden durchaus Annahme, gaben sie doch ein verbreitetes Lebensgefühl wieder: Die Trümmer liegen hinter uns, und wir gehen mit Optimismus an die Gestaltung einer neuen Gesellschaft, in der »nie mehr eine Mutter ihren Sohne beweint«. Allerdings ließ sich das Bekenntnis »Deutschland, einig Vaterland« mit dem Mauerbau und der Zweistaatentheorie als endgültiger Lösung der deutschen Frage nicht vereinbaren. Der Text wurde deshalb seit Anfang der siebziger Jahre nicht mehr gesungen.
    Die Mehrheit der Bundesbürger kann sich heute mit der dritten Strophe des »Deutschland-Liedes« identifizieren, selbst wenn diese Mehrheit den Text nicht mehr sicher beherrscht. Bei einigen emotional besetzten Anlässen, vor allem, als sie bei der Fußball-Weltmeisterschaft 1990 gespielt wurde, klang für deutsche Siege immer noch die erste Strophe mit.
    Brechts »Kinderhymne« entstand 1950 als Gegenlied zum Deutschlandlied und trug zunächst den Titel »Hymne« oder »Festlied«. Der anspielungsreiche Text ist von einem völkerverbindenden Pathos geprägt, ohne die Liebe zum eigenen Land zu verleugnen. »Deutschland, Deutschland über alles« setzt er das nüchterne »ein gutes Deutschland« oder »ein gutes Land« entgegen, dem er durchaus Blühen wünscht, aber zugleich wird unmissverständlich betont, wie Deutschland sich künftig im Konzert der Völker verhalten wolle.
     
    Und nicht über und nicht unter
    Anderen Völkern woll’n wir sein
    …
    Und das Liebste mag’s uns scheinen
    so wie andern Völkern ihrs.
     
    Jeder mag das eigene Land für das liebste halten. Bundespräsident Johannes Rau hatte immer wieder eine eingängige Formel |170| wiederholt: »Patriot ist einer, der sein Vaterland liebt; Nationalist ist einer, der andere verachtet.«
    In seiner politischen Nüchternheit setzt sich Brechts Text zugleich von der Schwülstigkeit des Becher’schen Textes ab. Brecht gelingt es, die leidvollen Erfahrungen anderer Völker in die eigene Nationalhymne zu integrieren.
     
    Dass die Völker nicht erbleichen
    wie vor einer Räuberin.
     
    Eine politische Utopie schließt er unmittelbar an:
     
    sondern ihre Hände reichen
    Uns wie anderen Völkern hin.
     
    Und – 1950! – die politisch bejahte Entscheidung über die künftigen deutschen Nachkriegsgrenzen, statt Elbe bis Memel:
     
    Von der See bis zu den Alpen
    von der Oder bis zum Rhein.
     
    Schließlich sei auf den nicht so eingängigen Eingangsdoppelvers verwiesen, in dem er Leidenschaft
und
Verstand, Anmut
und
Mühe zusammenzubringen versteht; daran soll man wahrlich nicht sparen, aber eben mit
Leidenschaft und Verstand
, mit
Verstand und Leidenschaft
.
    Es täte unserer Nation im vereinten Europa gut, wenn wir diesen Brecht’schen Text mit voller innerer Überzeugung künftig singen könnten!
    Wer mit offenen Augen durch Deutschland fährt und sich eine Empfindung für die Schönheit bewahrt hat, kann nur staunen, in welch einem wunderschönen Land wir leben, und mag sich blinzelnd vorstellen, wie es aussähe, hätten wir nicht diesen furchtbaren Krieg vom Zaune gebrochen.
    Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass ein kleiner Vers, den ich 1983 formuliert und in den Schaukasten des Lutherhauses in Wittenberg gehängt hatte, sofort für Wirbel sorgte und zu einer Demarche des Abteilungsleiters für

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