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Lass Es Gut Sein

Titel: Lass Es Gut Sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Schorlemmer
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Friedenspreisrede 1976: »Eine friedensfähige Gesellschaft wäre eine Gesellschaft, die ohne |164| Feindbilder auskommt. Es gibt Phasen, wo wir nicht ohne Auseinandersetzung auskommen, nicht ohne Zorn, aber ohne Haß, ohne Feindbild: wenn wir (einfach gesprochen) glücklich sind oder zumindest lebendig … und das durch eine Art des Zusammenlebens von Menschen, die Selbstverwirklichung zuläßt. Freiheit nicht als Faustrecht für den Starken, Freiheit nicht durch Macht über andere. Selbstverwirklichung oder sagen wir: wenn es möglich ist, kreativ zu leben. Noch immer sind wir weit davon entfernt, noch immer hoffen wir und glauben an die Möglichkeit des Friedens. Dies bleibt ein revolutionärer Glaube.«
    Kann es eine solche friedensfähige Gesellschaft geben, die ohne Feindbilder auskommt? Es sind besonders innerlich gespaltene Nationen, die dazu neigen, den gefährdeten Zusammenhalt durch Feindbildprojektionen zu überwinden. Grundmuster, typische Merkmale des Feindbildes, sind immer wieder Misstrauen, Schuldzuweisung, negative Antizipation, Identifikation mit dem Bösen, Entindividualisierung und jegliche Empathie-Verweigerung. Hinter allem steht eigene Unsicherheit und Unfähigkeit, Identität positiv zu konstituieren. Wer sich nicht positiv definiert, muss sich negativ konstituieren und nach außen verlagern, was man an sich selber nicht ertragen kann. In der Feindbildproduktion kulminieren Identitäts-, Projektions- und Wahrnehmungsprobleme. Das gilt für Individuen wie für ganze Gesellschaften.
    Eine reife Gesellschaft, die auf das mündige Individuum, auf Konsenssuche nach Regeln, auf Selbsterkenntnis und Einfühlung in Fremdinteressen bezogen bleibt, kann ohne Feindbilder existieren. Unser Handeln an der oben genannten Erkenntnis Max Frisch’s auszurichten und an der gemeinschaftlichen positiven Konstitution von Gesellschaft zu arbeiten, muss unser Ziel auch zu Beginn des 21. Jahrhunderts bleiben – global, im vereinigten Deutschland und im ganz persönlichen Lebensumkreis.

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    |165| Dass ein gutes DEUTSCHLAND blühe
    Nach-Sicht und Weit-Blick
    »Das Hemd ist einem näher als der Rock«, sagt das Sprichwort. Und das ist wahr. Doch wer nur das Nächste sieht, wird bald das Nachsehen haben. Das lehrt alle Erfahrung. In einer unübersichtlich gewordenen Welt, in der uns das Ferne täglich nahegerückt wird, gilt es, das umgrenzte eigene Revier in Ordnung zu bringen, in Ordnung zu halten, und zugleich die Rückwirkungen globaler Prozesse zum Guten zu wenden. Dass möglichst jeder ein Leben in Würde führen kann, muss Ziel allen Strebens bleiben. Was uns gemeinsam trägt, kann nur das sein, was jeden Einzelnen trägt, prägt und bindet. »Was gut ist für alle und zugleich dem Einzelnen gut tut« wäre eine brauchbare Lebensmaxime.
    Gerade in einer entgrenzten Welt ist die Orientierung auf eine regionale und nationale Identität wichtig, die sich nicht gegen andere richten
darf
, richten
muss
und richten
braucht.
Nichts wäre fataler als die direkte oder indirekte Aufforderung, sein eigenes Land nicht zu lieben oder lieben zu dürfen. Wir Deutschen tun gut daran, dass wir uns auf die großen, beachtenswerten, Respekt gebietenden humanen Traditionen und Leistungen von Deutschen zurückbeziehen, um daraus geistige Impulse, auch Kraft zu schöpfen – ohne jede Überheblichkeit, aber mit Dankbarkeit, als Teil der Menschheit. Es ist aller Ehren wert, sein eigenes Land zu lieben und zugleich andere Länder, fremde Menschen, ferne Kulturen zu achten. Wenn wir unsere
Identität
nicht
positiv
suchen, überlassen wir nationale Emotionen einer rechten »Denke«, die mit einer Gefühlswalze in uns schlummerndes nationalistisches Gedankengut wieder zu erwecken sucht und inzwischen damit weit mehr Bürger erreicht als jene, die rechtsradikal wählen. Nichts wäre jedoch unangemessener |166| und für die Zukunft gefährlicher, als uns den Abgründen deutscher Geschichte nicht zu stellen. Das eine relativiert das andere nicht. Es gehört zusammen, obwohl es eigentlich nicht zusammenpasst.
    Als Bürger eines toleranten, eines solidarischen, eines friedlichen und eines selbstbewussten Landes zeigen wir uns, wenn wir Übereinstimmung darüber erlangen, von welcher Vergangenheit her wir uns definieren, was uns als Vergangenheitsschutt geblieben ist und was uns fernerhin wirklich »etwas wert ist«, worauf wir stolz sein können, wofür es sich lohnt, sich – gemeinsam – einzusetzen und wie wir ohne Illusionen

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