Lass los was dich festhaelt
nicht erreicht, kommt es zum großen Knall, der in der Art seiner Auswirkung ausnahmslos der Vorgeschichte entspricht.
Irgendjemand erzählte einmal, kein Mensch auf dieser Welt sei jemals weiter als zwei Meter von einer Spinne entfernt. In dem Moment, als er das sagte und alle Damen kreischten, als hätte man einen Schuhkarton mit derartigem Geziefer geöffnet, dachte ich bei mir: Das ist genau wie mit den hinterhältigen Fallen des Schicksals. Keine ist weiter weg als zwei Meter.
Aber ist das Schicksal wirklich ein hinterhältiger Fallensteller, dem wir auf Schritt und Tritt ausgeliefert sind? Genauso gut könnte ich fragen: Ist die Autobahn wirklich die Rennbahn des Verderbens, auf der mir alle nach dem Leben trachten? Kommt ganz darauf an, wie ich fahre und wie geübt ich im Umgang mit Krisensituationen bin. Ich werde nie vergessen, wie mein Bruder und ich einmal auf einer Landstraße fuhren. Er saß am Steuer und fuhr nicht übertrieben langsam, aber auch nicht übertrieben jenseits der Beschränkung. Plötzlich schoss im wahrsten Sinn des Wortes aus einem Seitenweg ein Fahrzeug mitten auf die Fahrbahn, und zwar unmittelbar
vor uns in einer uneinsehbaren Kurve. Ich hatte nicht einmal Zeit, mich zu erschrecken, so schnell ging alles vor sich. Der Quertreiber bremste und schleuderte … und mein Bruder fuhr einfach herum. Nicht geradeaus, sondern elegant herum. Er reagierte so blitzschnell, dass ich seine Handbewegungen gar nicht sehen konnte. Und was mir noch unverständlicher war: Er hielt nicht einmal in dem Satz inne, den er gerade von sich gab. Er redete einfach weiter, indem er nahtlos einfügte: »Oh, das war jetzt aber knapp!«, und fuhr ungerührt weiter. Na ja, der Mann fliegt auch, wenn es denn gerade sein muss, einen Düsenjäger mit 15 Zentimeter Abstand am Formationsnachbarn vorbei. Er ist einfach darauf trainiert, schneller zu reagieren als ein Normalsterblicher. Hätte ich am Steuer gesessen, wären wir wahrscheinlich alle tot gewesen.
Und so verhält es sich mit diesen ganz bestimmten Schicksalsfügungen, die man ruhig auch als Fallen bezeichnen darf. Wer sie erkennt und geübt ist, kann elegant ausweichen, ohne dabei das zu unterbrechen, was er gerade tut, und ohne sich groß aufzuregen.
Merke: Je weniger man eine Sache beherrscht, desto größer ist das Geschrei im Umgang damit.
Und weil sich Gesetze überall gleich zeigen, können wir ihre Auswirkungen natürlich auch beim Loslassen, beim Abschiednehmen und jeder anderen Form der Trennung beobachten. Charakter zeigt sich unter Belastung, und jede Trennung, jede Loslösung fordert den Charakter auf ganz besondere Weise. Doch wir wollen nicht nur, wie bisher in diesem Kapitel, über
den Abschied von Menschen reden (das werden wir später noch sehr viel eingehender tun), sondern vorerst auch über die Trennungen, die wichtig sind, um die Lebensform zu erreichen, die für Sie notwendig und heilsam ist, und die, wenn Sie gelernt haben, Ihr Leben nach diesen Maximen auszurichten, auf Ihre Umgebung abfärben und Einfluss nehmen wird, und zwar ohne lautstarke Demonstrationen (siehe Seneca!).
Mit der generellen Lebensänderung ist es wie mit dem Abnehmen oder dem Alkoholverzicht: Jeder spätere Beginn macht die Loslösung schwerer und das halbherzige »Ein bisschen ändern« ist auf Dauer genau so verlorene Liebesmüh wie ein gegen den Wind gesungenes Lied. Tun Sie es ganz oder gar nicht. Und schnell! Je mehr Kraft eine Veränderung kostet, desto notwendiger ist sie. Und desto mehr Kraft werden Sie zurückgewinnen, wenn Sie die Umorientierung geschafft haben. Sie wissen nicht, wo Sie beginnen sollen? Okay. Ganz einfach.
Nehmen Sie Ihren Schlüssel und gehen Sie vor Ihre Wohnungstür. Sollten Sie sich gerade im Hotel, im Zug oder auf einer Parkbank befinden, dann machen Sie das folgende Bewusstseinstraining bitte sofort, wenn Sie wieder nach Hause kommen.
Öffnen Sie Ihre Tür von außen und bleiben Sie im Türrahmen stehen.
Was sehen Sie? Schauen Sie bitte genau hin. Welcher von den Gegenständen, die Sie sehen, ist wirklich notwendig und erfreut Ihr Auge?
Meistens sieht man zuerst die Mantelgarderobe, den unseligen Schirmständer oder den Schuhschrank.
Abgesehen davon, dass diese Prüfsteine vor allem bei meinen Geschlechtsgenossinnen grundsätzlich hinterfragt werden müssen (brauche ich wirklich sechs Mäntel und 42 Paar
Schuhe?), wäre es vielleicht auch einmal unterhaltsam sich zu fragen, warum man sich diesen Anblick zumutet, und zwar
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