Lass los was dich festhaelt
Einladungen, Geschenken und Besuchern vom Leib zu halten, damit sie Zeit für ihren wirklichen Bekannten- und Arbeitskreis haben. Haben Sie ihn, den Überblick? Wie viel Mensch braucht und kann ein Mensch ertragen? Und wie viele Freunde kann er haben, also wirkliche Freunde, keine Bekannten? Wir brauchen uns gegenseitig keine Zahlen zu nennen, denn wir wissen, dass die Ziffer höchstens zweistellig sein kann. Sonst wären Sie nämlich schon längst wahnsinnig geworden. Vor allem, wenn Sie etwas älter als vierzig sind. Merken Sie es? Wir haben um uns eine Welt entstehen lassen, die
uns unsere Persönlichkeit nimmt, die Konturen unserer Individualität verwischt und die uns unserem Seelenauftrag total entfremdet.
Meine Freundin Ute (»Hilf dir selbst, dann hilfst du Gott«), 15 Jahre jünger als ich, kann nicht »Computer«. Sie hat also keine E-Mail-Adresse, keinen Internetzugang und natürlich auch keine Webseite. Vor ein paar Tagen war sie empört. Ein Freund sagte ihr, er könne mit ihr nicht mehr umgehen, wenn sie weiterhin »computerresistent« sei und ihm unentwegt mit postalischen Sendungen, Besuchen oder Anrufen die Zeit stehle. Er sagte, man könne sich doch im virtuellen Raum treffen und dort bestens austauschen.
»Ich habe ihm dann gesagt, dass ich ihm seinen von mir gebackenen Geburtstagskuchen einfachheitshalber per E-Mail schicken werde, damit er ihn virtuell genießen kann«, schnaubte die Königin der Sprücheklopfer. Ich war sprachlos.
Er hatte ihr gesagt, er korrespondiere täglich mit dreihundert (!) Leuten. Ich fragte sie, wann der Mann arbeite. Er sei in Rente, hörte ich dann, frühpensioniert aus gesundheitlichen Gründen. »Kein Wunder«, konnte ich mir nicht verbeißen zu sagen. Nehmen wir an, es stimmt, was er erzählt hat, dann schreibt der Mann in der Woche an 2 100 Personen! Und er ist nicht der Papst, Barack Obama und, siehe oben.
Ja, ich weiß, Sie haben mich schon längst wieder durchschaut: Wir sind beim Thema Macht/Ruhm angelangt, also bei Ohnmacht und Ehrsucht. Bin ich mehr , wenn viele Leute meine Daten haben? Bin ich jemand, wenn mir viele Leute schreiben? Ich behaupte: Der Mann ist total beziehungsunfähig. Und kommunikationsgestört. Aber das ist nur einer von Millionen, der seinen Geburtstagskuchen künftig im sogenannten Chatroom gebacken haben will. Oder doch lieber nicht?
Alles, was wir auf Erden sehen, hat sich vorher im Unsichtbaren vorbereitet. Sie fragen mich jetzt nicht wirklich, was wir loslassen müssen, oder? Ich meine, wenn wir arbeitsunfähig werden und uns frühpensionieren lassen müssen, damit wir ungestörter in virtuelle Dimensionen abdriften können, dann erübrigt sich doch jede weitere Diskussion. Wir sind kollektiv im Begriff, völlig irre zu werden, und (fast) alle finden das vollkommen normal!
Und was noch viel beunruhigender ist: Es geschieht so selbstverständlich und widerstandslos. Unsere jungen Leute machen begeistert mit und unser »Mittelalter«, also die Leute zwischen 40 und 55, die es besser wissen sollten, versuchen mit den Jungen Schritt zu halten. Dann bleibt noch die Generation, zu der ich gehöre und die sich in zwei Lager teilt. Lager A will mit dem ganzen Kram nichts, aber auch gar nichts zu tun haben. Lager B hat mehr oder weniger mühsam gelernt, mit dem Computer umzugehen und nutzt die Möglichkeiten sehr bewusst (außer Utes Freund & Co). Lager A und B haben etwas gemeinsam: Die Leute wissen, wie kostbar das Leben ist und wie schnell das bisschen Zeit vergeht, das noch bleibt. Und diese Zeit wird mit Dingen gefüllt, die lieb und wert sind.
Lieb und wert! Das klingt wie aus einem Grimmschen Märchen, vergessene Worte, im Zeitstrom ertrunken. Und trotzdem wesentlich, denn das ist alles, was Mensch braucht: Liebe und Wertschätzung. Und wenn er selbst nichts hat und tut, was ihm lieb und wert ist, dann ist es mit der Liebe und Wertschätzung nicht so weit her, wie seine Seele hofft.
Erinnern Sie sich noch an Ahriman und Luzifer? Der eine treibt die Vereinnahmung der Menschen voran, indem er ihnen Brot gibt, das aus Stein gemacht ist, und der andere macht uns weis, dass wir alles haben und tun können, was wir wollen, wenn wir nur brav die Bedingungen erfüllen.
Die Bedingungen sind: Vergiss Geist, glaub an Materie! Und glaube, dass wir zwei deine wahren Götter sind, die dich zurück ins Paradies bringen werden. Und wir beeilen uns, der Aufforderung nachzukommen und verwenden alle unsere Kräfte und unseren »Geist« auf den
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