Lass mich deine Liebe spueren_Zwei Maenner fuer die Herzogin
Umständen zu begegnen, hatte Alexandra ihren Aufbruch so lange hinausgezögert wie möglich.
Doch nun beschloß sie, daß diese Gefahr vorüber war. »Sehe ich passabel aus, Marie?« fragte sie und drehte sich nach der französischen Zofe um, die die Herzogin für sie eingestellt hatte.
»Ihr Anblick wird allen die Sprache verschlagen, Euer Gnaden«, erwiderte Marie lächelnd.
»Das wäre aber nicht mehr anregend«, entgegnete Alexandra scherzend und warf einen letzten Blick in den Spiegel. Ein tiefausgeschnittenes Mieder aus blaßgelbem Chiffon betonte ihre Brüste, und der duftige, transparente Stoff des Rocks fiel ihr wie Wolken auf die Füße. Diamanten funkelten an ihrem Hals und blitzten an ihren Ohrläppchen. Ihre schimmernden Haare waren in einem Chignon zusammengefaßt, Die betont schlichte Frisur unterstrich raffiniert ihre feingeschnittenen Züge und verlieh ihr trotz ihrer Jugend ein fast dramatisches Aussehen.
»Warten Sie nicht auf mich, Marie«, sagte Alexandra und griff nach ihrem perlenbestickten Ridikül. »Ich verbringe die Nacht bei einer Freundin.« Das entsprach zwar nicht ganz der Wahrheit, aber Alexandra war fest entschlossen, Jordan Townsende nie wieder zu gestatten, das Lager mit ihr zu teilen, und hatte — zumindest für heute — einen Plan, das zu verhindern.«
White’s war der exklusivste Privatclub in England und sah noch genauso aus wie vor mehr als einem Jahr, als er ihn zuletzt betreten hatte. Und doch kam es Jordan so vor, als wäre es heute irgendwie anders, als er die heiligen Hallen betrat.
Es war wie immer und doch seltsam anders: Bequeme Sessel umstanden niedrige Tische, so daß sich ein Gentleman zurücklehnen und entspannen konnte, während er mit einer einzigen Karte ein Vermögen gewann oder verlor. Das große Buch, in dem die Wetten eingetragen wurden - den Mitgliedern des White’s so sakrosankt wie einem Methodisten die Bibel — lag an seinem angestammten Platz. Allerdings hatten sich heute abend sehr viel mehr Gentlemen eingefunden als üblich, stellte Jordan fest.
»Hawthorne!« rief eine Stimme überschwengliche Zu überschwenglich, und die Gruppe der Männer vor dem Wettbuch fuhr kerzengerade in die Höhe, um sich dann hastig wieder über die Seiten zu beugen. »Schön» Sie wieder bei uns zu haben, Hawk«, sagte Lord Hurly und schüttelte Jordans Hand. »Prachtvoll, daß Sie wieder unter uns sind«, erklärte ein anderer, während sich seine Freunde begeistert um ihn scharten. Eine Spur zu begeistert, dachte Jordan...
»Trink erst einmal ein Glas«, empfahl Lord Camden grimmig, griff ein Glas Madeira vom Tablett eines vorbeikommenden Clubdieners und drückte es Jordan in die Hand.
Erstaunt über Camdens merkwürdiges Verhalten reichte Jordan dem Diener den Madeira zurück. »Ich hatte gern einen Whisky«, sagte er und wandte sich dann dem Wettbuch zu. »Auf welchen Unsinn verwetten die jungen Spunds denn neuerdings ihr Geld?« wollte er wissen. »Hoffentlich nicht mehr auf Schweinerennen.« Sofort verstellten ihm sechs Gäste den Weg, scharten sich im Halbkreis um das Buch und erklärten gleichzeitig hastig: »Sie müssen ja Schreckliches durchgemacht haben... Erzählen Sie uns... Wie geht’s Lord Anthony? ... Wie ist das Befinden Ihrer Großmutter?«
»Meiner Großmutter geht es ausgezeichnet, Hurly«, erwiderte Jordan und bahnte sich seinen Weg zum Buch. »Und Tony gleichfalls.« Er stützte eine Hand auf eine Sessellehne, beugte sich leicht vor und schlug mit der anderen das Buch von hinten her auf, als würde er alte Zeitungen durchblättern, um sich auf den aktuellen Stand des Weltgeschehens zu bringen.
Vor acht Monaten, stellte Jordan amüsiert fest, hatte der junge Lord Thornton tausend Pfund darauf verwettet, daß es seinen Freund Earl Stanley zwei Monate später, am 20. Dezember, mit Magenbeschwerden aufs Krankenlager werfen würde. Am 19. Dezember hatte Thornton unter Einsatz von hundert Pfund darauf gewettet, daß sein Freund nie im Leben zwei Dutzend hartgekochte Eier auf einmal essen könne. Die Wette war zwar von Stanley gewonnen worden, aber am nächsten Tag hatte er tausend Pfund verloren. »Wie ich sehe, ist Stanley so einfältig wie eh und je«, meinte Jordan trocken.
Früher hätte diese Bemerkung seine Freunde veranlaßt, von ähnlich spaßigen Wetten zu berichten oder ihn an seine eigenen absurden Einsätze zu erinnern. Doch heute lächelten ihn die sechs Gentlemen nur unsicher an und hüllten sich in unbehagliches
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