Lass mich deine Liebe spueren_Zwei Maenner fuer die Herzogin
ausgesehen.«
»Tony«, verbesserte er beharrlich, setzte sich ihr gegenüber und blickte in das flackernde Kaminfeuer.
»Ihre Großmutter möchte nicht in London bleiben und sich der Belastung der Hunderte von Kondolenzbesuchen aussetzen«, sagte Alexandra nach einiger Zeit. »Sie zieht es vor, nach einem kleinen Gedenkgottesdienst sofort nach Rosemeade aufzubrechen.«
Nachdenklich schüttelte Anthony den Kopf. »Ich glaube nicht, daß es gut für sie wäre, sich auf Rosemeade abzukapseln. Und ich kann kaum länger als eine Woche bei ihr bleiben. Hawthorne ist ein riesiger Besitz mit Tausenden von Dienern und Pächtern, die alle neuer Anweisungen und des Trostes bedürfen, wenn sie von seinem Tod erfahren. Ich bin völlig unvertraut mit den neuen Aufgaben, die da auf mich zukommen, und muß mich erst zurechtfinden. Daher hätte ich es sehr viel lieber, daß meine Großmutter mich nach Hawthorne begleitet und dort für die nächste Zeit ihren Wohnsitz nimmt.«
»Das wäre für sie auch sehr viel besser«, stimmte Alex zu. Und um ihn nicht länger über ihre eigenen Pläne im Ungewissen zu lassen, erklärte sie ihm, daß sie nach dem Gedenkgottesdienst nach Hause fahren würde. »Nach meiner Hochzeit hat sich meine Mutter auf Reisen begeben«, fuhr sie fort. »Sie wollte mir schreiben, daher bitte ich Sie, ihre Briefe an mich nach Morsham weiterzuleiten. Dann werde ich sie darüber informieren, daß mein Mann...« Die Worte »gestorben ist« brachte sie nicht über die Lippen. Sie konnte nicht glauben, daß der gutaussehende, vitale Mann, den sie geheiratet hatte, nicht mehr am Leben war.
Mit entschlossenem Gesichtsausdruck und dem besorgten Ramsey auf den Fersen kam die Herzogin am nächsten Morgen in den Gelben Salon marschiert, wo Anthony die Zeitung las und Alexandra am Schreibtisch saß und nachdenklich vor sich hin blickte.
Als die Herzogin das tapfere blasse Mädchen mit den hohlen Wangen sah, das ihr den ersten Schmerz erleichtert hatte, wurde ihre Miene sanfter, verhärtete sich aber sofort wieder, als ihr Blick auf Henry fiel, der abwechselnd seinen eigenen Schwanz jagte und am Saum von Alexandras schwarzem Trauerkleid zerrte. »Platz!« befahl sie dem verspielten Tier.
Alexandra zuckte zusammen, Anthony sprang auf, aber Henry wedelte nur kurz zu ihrer Begrüßung mit dem Schwanz und nahm seinen Zeitvertreib wieder auf. Verblüfft über diesen seltenen Fall von Ungehorsam versuchte die Herzogin den Welpen durch die schiere Macht ihres Blicks zur Disziplin zu zwingen. Und als auch das nichts half, drehte sie sich zu dem Butler um. »Ramsey«, ordnete sie gebieterisch an, »sorgen Sie dafür, daß diese bedauernswerte Kreatur einen langen, erschöpfenden Auslauf bekommt.«
»Sehr wohl, Euer Gnaden. Sofort«, erwiderte der Butler mit undurchdringlichem Gesichtsausdruck und verbeugte sich. Dann bückte er sich, packte den Hund mit der rechten Hand im Genick, legte die linke unter dessen Bauch und hielt den zappelnden Fellball so weit von seinem Körper entfernt, wie seine Arme es gestatteten.
»Na bitte«, erklärte die Herzogin befriedigt, und Alexandra mußte ein Lächeln unterdrücken. »Anthony sagte mir, daß Sie beabsichtigen, nach Hause zu fahren«, wandte sich die alte Frau dann an Alexandra.
»Ja. Ich würde gern morgen nach dem Gottesdienst aufbrechen.«
»Sie werden nichts dergleichen tun. Sie werden Anthony und mich nach Hawthorne begleiten.«
Alexandra sehnte sich nicht danach, ihr altes Leben wieder aufzunehmen, als hätte es Jordan nie gegeben.
Aber sie hatte niemals erwogen, nach Hawthorne zu ziehen. »Warum sollte ich das tun?«
»Weil Sie die Herzogin von Hawthorne sind. Weil Ihr Platz in der Familie Ihres Mannes ist.«
Alexandra zögerte, dann schüttelte sie den Kopf. »Mein Platz ist in Morsham.«
»Unsinn!« erklärte die Herzogin energisch, und Alexandra lächelte insgeheim über die Rückkehr der alten Frau zu ihrem gewohnten autoritären Verhalten. »An dem Tag, an dem Sie Hawthorne geheiratet haben«, fuhr die Herzogin bestimmt fort, »hat er mich nachdrücklich mit der Aufgabe betraut, Sie in alles einzuweisen, was Sie brauchen, um schließlich den Ihnen zustehenden Platz in der Gesellschaft einnehmen zu können. Auch wenn mein Enkelsohn nicht mehr unter uns weilt«, schloß sie nachdrücklich, »bin ich ihm gegenüber doch loyal genug, seine Wünsche zu erfüllen.«
Trotz ihrer Betonung des Wortes loyal zögerte Alexandra. Könnte sie tatsächlich auf Hawthorne leben?
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