Lass mich deine Liebe spueren_Zwei Maenner fuer die Herzogin
er sie zur Hand nahm, und mußte sich dann auf die Zehenspitzen recken, um in den Spiegel sehen zu können. Doch selbst so konnte Alexandra lediglich ihre Stirn und ihre Augen sehen. Wie groß er doch war, dachte sie und lächelte traurig.
Drei weitere Zimmer schlossen sich an das Schlafzimmer an: ein Ankleideraum, ein Arbeitszimmer mit Bücherregalen an den Wänden und weichen Ledersesseln sowie ein weiterer Raum, der Alexandra den Atem verschlug. In einen Halbkreis aus goldgeädertem schwarzen Marmor war im Boden eine riesige runde Wanne eingelassen. »Was ist denn das?« fragte sie.
»Ein Bad, Euer Gnaden«, erwiderte der Diener und verbeugte sich.
»Ein Bad?« wiederholte Alexandra und starrte bewundernd auf die goldenen Wasserhähne und die anmutigen Marmorsäulen, die die kreisrunde Wanne umgaben und zu einem Oberlicht hinaufstrebten.
»Master Jordan hielt viel von Modernisierung«, fügte der Diener hinzu, und Alexandra war von dem Ausdruck des Stolzes und der Zuneigung in der Stimme des alten Mannes tief berührt.
»Ich hätte es lieber, >Miss Alexandra< genannt zu werden«, sagte sie und lächelte ihn an, aber er reagierte so verschreckt, daß sie schnell hinzufügte: »Also dann >Lady Alexandra<. Haben Sie meinen Mann gut gekannt?«
»Mit Ausnahme von Mister Smarth, dem Aufseher der Reitställe, besser als jeder andere.« In der sicheren Erkenntnis, daß er in Lady Alexandra eine begeisterte Zuhörerin haben würde, bot sich Gibbons prompt an, sie durch Haus und Park zu führen. Es dauerte insgesamt drei Stunden und umfaßte Besuche in Jordans bevorzugten Refugien ebenso wie eine Visite bei Smarth, der versprach, ihr »alles über Master Jordan« zu erzählen, wann immer sie zu ihm in die Ställe kam.
Gibbons beendete seine Führung mit Besuchen an zwei Orten, von denen einer spontan Alexandras Lieblingsaufenthalt wurde: die Gemäldegalerie, in der Portraits der vorangegangenen elf Herzöge neben Gemälden ihrer Frauen und Kinder in identischen Goldrahmen hingen.
»Mein Mann sah sehr viel besser aus als sie alle«, erklärte sie, nachdem sie jedes Portrait sehr genau studiert hatte.
»Genau das haben Mister Higgins und ich auch festgestellt.«
»Aber sein Portrait fehlt.«
»Ich hörte zufällig, wie er zu Master Anthony sagte, er hätte mit seiner Zeit Besseres anzufangen, als bedeutend und würdevoll auszusehen.« Gibbons deutete auf zwei Bilder in der oberen Reihe. »Aber er fehlt keineswegs. Da ist er — als kleiner Junge und im Alter von sechzehn Jahren. Sein Vater bestand darauf, daß er für das letzte saß, und Master Jordan wurde fuchsteufelswild.«
Ein Lächeln flog über Alexandras blasses Gesicht, als sie zu dem kleinen, dunkelgelockten Jungen aufblickte, der ernst neben einer bildschönen blonden Frau mit verhangenen grauen Augen stand. Auf der anderen Seite ihres thronähnlichen Sessels sah sie einen gutaussehenden Mann mit breiten Schultern und der hochmütigsten Miene, die Alexandra je erblickt hatte.
»Und das ist das Schulzimmer«, verkündete Gibbons und öffnete die Tür zu einem Raum im zweiten Stockwerk, in dem es roch, als wäre hier seit vielen Jahren nicht mehr gelüftet worden. Drei kleine Schreibtische standen einem großen Pult gegenüber, und in einer Ecke entdeckte sie einen alten Globus.
Alexandra wanderte langsam durch den kleinen Raum und blieb abrupt neben einem der kleinen Schreibtische stehen. In seine Tischplatte waren die Buchstaben J.A.M.T. geschnitzt, Jordans Initialen. Sie fuhr leicht mit den Fingern darüber und sah sich mit einer Mischung aus Freude und Unbehagen um. Wie anders hatte doch das unordentliche, aber anheimelnde Arbeitszimmer ihres Großvaters ausgesehen, in dem sie unterrichtet worden war...
Als sich Gibbons schließlich von ihr verabschiedete, ging Alexandra noch einmal in die Galerie und sah zu dem Sechzehnjährigen auf, der dann für vier Tage ihr Ehemann geworden war. »Ich werde dich stolz auf mich machen«, flüsterte sie.
In den folgenden Tagen stürzte sich Alexandra mit Feuereifer in ihre Aufgabe. Sie lernte Debretts Peerage seitenweise auswendig und beschäftigte sich mit Büchern über tadelloses Benehmen, Traditionen und Protokollfragen, die ihr die Herzogin zur Verfügung stellte. Ihre schnelle Auffassungsgabe errang die Anerkennung der alten Frau wie alles, was Alexandra tat, mit zwei Ausnahmen, die sie bewogen, Anthony eine Woche nach ihrer Ankunft auf Hawthorne zu sich zu zitieren.
»Alexandra verbrüdert sich mit
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