Lass mich deine Liebe spueren_Zwei Maenner fuer die Herzogin
Jordan. Eine Illusion, die du dir selbst geschaffen hast, weil du naiv und idealistisch warst...«
»Und einfältig, blind und dumm!« zischte Alexandra. Scham und Verzweiflung ließ sie das Mitgefühl zurückweisen, das Anthony ihr entgegenbrachte. Sie entschuldigte sich mit bebender Stimme und eilte auf ihr Zimmer.
Erst dort gab sie sich ihren Tränen hin. Sie weinte über ihre Leichtgläubigkeit, über ihre Dummheit und über das Jahr, in dem sie sich so heftig bemüht hatte, des Mannes würdig zu werden, der es nicht verdient hatte, als Gentleman bezeichnet zu werden.
Anstatt an jenem Abend in Morsham seinen Angreifer zu töten, hätte sie Jordan Townsende erschießen sollen!
»Wie lange noch?« fragte George Morgan flüsternd in der Dunkelheit.
»Noch eine Stunde, dann können wir es wagen«, antwortete Jordan und versuchte, seine verkrampften Muskeln zu entspannen.
»Haben sie auch wirklich gesagt, daß unsere Truppen knapp achtzig Kilometer von hier kämpfen? Ich meine, können Sie sich nicht verhört haben? Ich würde nur sehr ungern achtzig Kilometer in die falsche Richtung laufen — ich mit einem lahmen Bein und Sie mit einem durchlöcherten.«
»Das ist doch nur ein Kratzer«, kommentierte Jordan die Wunde, die ihm der Wärter beigebracht hatte, bevor sie ihn überwältigt hatten.
Die Höhle, in der sie sich seit gestern verbargen, während die Franzosen den Wald nach ihnen durchkämmten, war so eng, daß sie lediglich eng aneinander gedrückt und gebückt darin Platz fanden. Ein Schmerz durchfuhr Jordans Bein, und er hörte auf, sich zu bewegen, rief sich statt dessen Alexandras Gesicht in Erinnerung und konzentrierte sich mit jedem Nerv, jedem Gedanken nur auf sie. Es war eine Methode, die er schon häufig angewandt hatte, und sie war auch jetzt so wirksam wie zuvor.
Er dachte sich Tausende von Szenen aus, angenehme und beängstigende: Alexandra lief ihm lachend davon, drehte sich dann um und wartete mit ausgebreiteten Armen auf ihn. Er sah sie aber auch vor sich, nachdem sie von Tony auf die Straße gesetzt wurde, in den Londoner Slums leben mußte und darauf wartete, daß er endlich nach Hause kam und sie rettete. Alle diese Szenen hatten eins gemeinsam: Alexandra wartete auf ihn. Brauchte ihn. Er wußte, daß diese Bilder seiner Phantasie entsprangen, dennoch gab er sich ihnen mit Inbrunst hin. Denn sie waren seine einzige Waffe gegen die Dämonen in seinem Kopf, die ihn hämisch aufforderten, endlich diesen aussichtslosen Kampf aufzugeben...
Mit Hilfe dieser Visionen von Alexandra hatte er in seiner erbärmlichen Zelle die Augen geschlossen und begonnen, seine Flucht zu planen, damit er zu ihr zurückkehren konnte. Und jetzt, nachdem er ein Jahr lang Zeit gehabt hatte, die Hohlheit seines früheren Lebens zu erkennen, war er bereit, sich von Alexandra ihre Welt zeigen zu lassen, in der alles frisch und verheißungsvoll war, in der »etwas Wundervolles« auf sie und ihn wartete. Er war bereit, sich an ihren Zauber, ihr Lachen und ihre Lebensfreude zu verlieren. Er wollte sich vom Schmutz dieses Kerkers reinigen und endlich das Odium seines bisher vergeudeten Lebens loswerden.
Darüber hinaus hatte er nur noch ein anderes Ziel. Das war zwar weniger edel, aber gleichermaßen wichtig: Er wollte die Identität desjenigen herausfinden, der zweimal versucht hatte, seinem Leben ein Ende zu setzen. Tony hatte von seinem Tod am meisten zu profitieren, doch darüber wollte er jetzt nicht weiter nachdenken. Nicht jetzt und nicht hier. Nicht ohne Beweise. Tony war für ihn wie ein Bruder gewesen.
Kapitel 16
Nach einer Nacht voller tränenreicher Selbstvorwürfe und Bezichtigungen erwachte Alexandra eigentümlich erholt. Die Erfahrungen des vergangenen Abends hatten zwar ihre Illusionen zerstört, aber als sie badete und sich langsam anzog, erkannte sie auch, daß sie durch Tonys Enthüllungen auch von den Banden der Hingabe und Treue befreit worden war, die sie seit mehr als einem Jahr an Jordan gefesselt hatten.
Jetzt war sie frei von Jordan Townsende. Ein leicht bitteres Lächeln spielte um ihre Lippen, als sie sich vor den Ankleidetisch setzte und ihre langen, schweren Haare zu bürsten begann. Eigentlich war es merkwürdig. Indem sie sich bemüht hatte, Jordan eine würdige Frau zu werden, hatte sie sich in ein durch und durch sittsames und tugendhaftes Wesen verwandelt, das sehr wohl zu einem Pfarrer, aber nie zu einem skandalträchtigen Lebemann gepaßt hätte. Im Grunde ist das
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