Lass mich in Dein Herz
dass Valentin sie beobachtete. Sie lebte ständig mit dem Gefühl, dass er da war.
Sie stöhnte. Wie lange würde das noch so weitergehen? Permanent lebte sie in Erwartung einer neuen Attacke. Und sie konnte sich nicht davor schützen. Auch die Polizei konnte es nicht, vorausgesetzt, sie würde überhaupt etwas in dieser Richtung unternehmen.
Sie wusste nicht, was Valentins kranker Verstand als nächstes hervorbringen würde. Bis jetzt war alles noch ziemlich harmlos. Jedenfalls jedes einzelne Ereignis für sich. Die Summe war es nicht mehr. Die hatte dieselbe Wirkung wie ein tropfender Wasserhahn, wenn man versuchte einzuschlafen. Ein einzelner Tropfen war unbedeutend. Aber das anhaltende, monotone Geräusch dieser unbedeutenden Tropfen zerrte an den dicksten Nerven.
Du musst etwas unternehmen, Andrea! Dich nicht nur verteidigen, sondern angreifen! Aber wie? Und würde sie Valentin damit nicht in die Hände spielen? Das war es ja, was er wollte: sie zu Handlungen provozieren. Das ermöglichte ihm eine neue, höhere Stufe des Terrors. Das Opfer verkroch sich nicht, sondern forderte seinen Peiniger heraus. Ein Spiel am Rande der Eskalation. Sein Spiel! Valentins Rache wäre perfekt, hätte er noch die Genugtuung, dass er sie manipulieren konnte, ihr Leben mitbestimmte.
Nein! Es wäre absolut falsch, ihm diese Genugtuung zu verschaffen. Die Versuchung war groß, aber sie durfte ihr nicht nachgeben. Sie musste auf der Hut sein, durfte sich nicht provozieren lassen, musste passiv bleiben. Andernfalls wäre es ein Spiel ohne Ende, ein immer wiederkehrender Kreislauf. Ihre einzige Chance bestand darin, dass Valentin das Interesse verlor. Auch wenn die Aussichten dafür schlecht standen. Andrea wusste, Stalker waren sehr ausdauernd.
Sie bog in ihre Straße ein, fand einen Parkplatz genau vor dem Haus, nahm die Einkaufstüten aus dem Kofferraum, schleppte sie in die Wohnung, lud alles in der Küche ab und verstaute das Mitgebrachte in Fächer und Kühlschrank. Anschließend wärmte sie sich den Rest des Abendessens vom Vortag auf. Nach dem Essen schaltete sie den Computer an, um ihre E-Mails abzuholen. Heute dauerte das ungewöhnlich lange. Und den Grund konnte Andrea am Bildschirm nach und nach mitverfolgen. Eine Mitteilung reihte sich an die andere.
Andrea saß verwundert vor der Liste der Nachrichten. Sie kannte keinen der Absender. Irritiert drückte sie auf die oberste Mitteilung, um sie zu öffnen.
Stehe dir gern jederzeit zur Verfügung. Ich stehe auf die harte Tour. Sex ohne Schmerzen ist wie Essen ohne Salz.
Dein Diener Rainer
Andrea runzelte die Stirn. Sie klickte auf eine andere Nachricht.
Du kannst alles mit mir machen. Ich bin ein willenloser Sklave, der von dir angekettet und verwöhnt werden will.
Sie schüttelte unwirsch den Kopf. Was sollte das? Woher kamen diese E-Mails? Warum kamen sie? Andreas Blick fiel auf eine der Nachrichten ziemlich am Ende der Liste.
Überraschung!!! V.
stand in der Themenzeile. Andrea klickte sie an.
Hallo Andrea , las sie.
Ich habe mir erlaubt, eine Anzeige für dich in den Chat zu setzen: Domina sucht Sexsklaven. Bis jetzt habe ich nur deine E-Mail-Adresse angegeben. Morgen werde ich deine Telefonnummer hinzufügen. Übermorgen wissen alle interessierten Herren, wo du wohnst. Genieße es!
Andrea saß fassungslos vor dem Computer. Dieser verdammte Scheißkerl! Gott sei Dank wurde morgen die Alarmanlage eingebaut. Dann war sie wenigstens hier sicher. Sie brauchte nur den Sicherheitsdienst anzurufen, und eventuelle aufdringliche »Verehrer« würden eingesammelt werden. Aber die Alarmanlage konnte nicht verhindern, dass sie vor ihrer Wohnung belästigt wurde. Der Weg in die teuer erkaufte Sicherheit konnte sehr lang werden.
Aber – wenn sie die ganze Sache einmal überdachte und rein praktisch sah – diese Chat-Attacke hatte auch etwas Gutes. Die Mail war der erste handfeste Beweis, dass sie gezielt belästigt wurde. Vielleicht ließ sich sogar zurückverfolgen, wer der Absender war.
Andrea griff zum Telefon und wählte die Nummer der Polizei.
6.
A ndrea nahm vom Ingenieur der Sicherheitsfirma die letzten Hinweise entgegen. Sein Kollege packte derweil das Werkzeug zusammen.
»Wir machen jetzt einen Check. Geben Sie den Code ein und aktivieren Sie die Anlage. Ich telefoniere mit der Überwachungszentrale und melde den Check an. Dann öffnen wir ein beliebiges Fenster. Der Alarm müsste ausgelöst und die Zentrale automatisch alarmiert werden.«
Andrea
Weitere Kostenlose Bücher