Lass mich in Dein Herz
übertrieben, was in der Zeitung steht.«
»Leider nicht«, seufzte Andrea. »Auch wenn ich immer noch hoffe, das Ganze ist nur ein böser Traum, aus dem ich jeden Moment erwache.«
Gina kniff Andrea in den Arm.
»Au!« schrie die auf.
»In Träumen spürt man Angst, keinen Schmerz. Du träumst nicht. Soviel ist sicher«, stellte Gina trocken fest.
»Das ist nicht witzig«, erwiderte Andrea leicht gereizt.
»Ich weiß«, sagte Gina. »Erzähl. Was ist schiefgegangen?«
Und Andrea erzählte. Zum Schluss meinte sie: »Das blödeste an der Sache ist, dass ich selbst schuld an dem Desaster bin.« Je länger sie darüber nachdachte, desto mehr festigte sich dieser Gedanke in ihr.
»Du kannst nichts dafür. Valentin hatte Löwens von Anfang an als Opfer eingeplant«, widersprach Gina.
»Ja, sicher. Aber vielleicht hätte ich es verhindern können, wenn ich ein wenig mehr Zeit darauf verwendet hätte nachzudenken. Es wollte mir nicht einleuchten, dass Valentin sich mit einem Mitwisser belastete. Der Schluss, dass er sich dieses Mitwissers entledigen würde, lag doch nahe. Löwens wusste nicht, worum es eigentlich ging. Aber ich wusste es. Hätte ich nur etwas mehr nachgedacht statt mich auf einen sehr fragwürdigen Sieg über Valentin zu freuen, wäre das alles vielleicht gar nicht passiert.«
»Das ist Unsinn.« Gina sah, wie sehr die Sache mit Löwens Andrea belastete, und wollte sie beruhigen. »Niemand, auch du nicht, kann die Gedanken anderer erraten. Schon gar nicht, wenn sie dermaßen abwegig sind wie Valentins Plan.«
»Das ändert nichts an der Tatsache, dass ich mich schuldig fühle«, wand Andrea mit gerunzelter Stirn ein. »Ich hoffe nur, dass Löwens bald aufwacht.«
»Wird er aufwachen?« fragte Gina bange.
»Er muss. Nur er kann den wahren Hergang des Vorfalls bestätigen«, sagte Andrea bedrückt.
»Glauben sie dir denn nicht? Schließlich bist du Richterin.« Gina konnte sich nicht vorstellen, dass irgendjemand Andreas Wort in Frage stellen konnte.
»Richter sind auch nur Menschen«, sagte Andrea. »Wenn unser Rechtssystem irgendeine Berufsgruppe von vornherein von einem Verdacht ausschließen würde, wäre das nicht gerade der Wahrheitsfindung dienlich – und es wäre ungerecht.«
»Das ist wahr.« Gina seufzte.
»Sie haben mich zum Drogentest geschickt und ermitteln bezüglich der Herkunft der Tatwaffe«, sagte Andrea. »Und das ist auch richtig so. Sie müssen alle Verdachtsmomente prüfen.«
»Drogentest?« fragte Gina. »Sie verdächtigen dich wirklich, drogensüchtig zu sein?«
»Sie müssen einen Beweis haben, um es ausschließen zu können«, sagte Andrea. »Ich würde als Richterin genauso handeln.« Sie gab ein trockenes Geräusch von sich. »Einen Nutzen hat die ganze Geschichte am Ende doch«, meinte sie in einem Anfall von Galgenhumor. »Entweder kriegen wir Valentin, und er wird aus dem Verkehr gezogen. Für vorsätzlichen Mord bekommt er lebenslänglich. Oder ich lande statt seiner im Gefängnis. Damit ist Valentin am Ziel seiner Wünsche, das ja wohl darin besteht, meine Karriere und mein Leben zu zerstören. So oder so, der Terror hat bald ein Ende.«
»Das hört sich an, als würdest du dich einfach damit abfinden, dass man dich für eine Tat verantwortlich macht, die du nicht begangen hast.« Gina sprang protestierend von ihrem Bett auf.
Dabei vergaß sie jedoch ihre Schnittwunde am Bauch. Kaum dass sie auf den Füßen stand, presste sie stöhnend ihre Hand auf die Wunde.
»Vorsicht!« Andrea sprang hinzu und stützte sie.
»Es geht schon.« Gina winkte ab. Ihr fragender Blick musterte Andrea.
»Natürlich finde ich mich nicht so einfach damit ab«, antwortete Andrea. »Aber im Moment sieht es so aus, als ob ich als einzige für die Tat in Betracht käme. Zumindest aus der Sicht der ermittelnden Behörden. Niemand außer Löwens und mir hat Valentin an dem Abend gesehen. Ich bin sicher, Valentin hat für ein Alibi gesorgt. Und selbst wenn nicht, ist das auch egal. Er muss kein Alibi vorweisen, solange es keine Hinweise auf ihn als Täter gibt. Auch für seine Belästigungen gegen mich gibt es nicht die geringsten Beweise. Damit scheint es völlig aus der Luft gegriffen, ihn mit der Tat an Löwens in Verbindung bringen zu wollen.«
Gina konnte es nicht fassen. »Ich kann nicht glauben, dass du aufgibst. Du doch nicht, Andrea!«
»Das habe ich nicht gesagt. Aber ich muss auch eine Niederlage in Erwägung ziehen. Ich bin es gewohnt, realistisch zu denken.«
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