Lass mich in Dein Herz
während sie die Kartoffeln schälte.
»Kannst du dir ja denken.«
»Ich habe dich erst verführt und anschließend um deinen Verstand gebracht. Oder umgedreht?« vermutete Andrea.
»So ähnlich. Judith ist sich sicher, dass ich eine selbstquälerische Ader habe.«
»Und? Hast du?« Andrea sah sie von der Seite an.
»Schon möglich. Ist wohl eine Interpretationsfrage.« Wenn sie das mit Judith nicht diskutiert hatte, würde sie es mit Andrea auch nicht tun. »Was gibt es denn zu essen?« lenkte Gina ab.
»Schnitzel, Kartoffeln, Gemüse aus der Dose.« Sie grinste. »Tut mir leid. Ich bin keine große Köchin. Das ist so ungefähr das Äußerste, was ich zustande bringe.«
»Ist doch ganz nett«, sagte Gina. »Kann ich was helfen?«
»Ich habe die Schnitzel schon paniert. Du kannst die Pfanne aus dem Eckschrank dort unten holen und sie braten.« Andrea wies auf den Schrank.
Gina nahm die Margarine aus dem Kühlschrank. Als das Fett in der Pfanne brutzelte, legte sie das Fleisch hinein.
Andrea hatte mittlerweile die Kartoffeln aufgesetzt und saß nun am Küchentisch. Sie beobachtete Gina, für die es nichts Wichtigeres zu geben schien als die Schnitzel in der Pfanne.
»Du wirst es kaum glauben, aber ich bin froh, dass du hier bist«, sagte Andrea in die Stille.
Gina drehte sich erstaunt um. »Ich hatte eher den Eindruck, du warst wenig begeistert von meinem Auftauchen.«
»Entschuldige. Ich fühlte mich überrumpelt. Deshalb habe ich wohl so schroff reagiert.« Andrea schüttelte bedächtig den Kopf. »Schon komisch. Ich dachte, wenn du nicht mehr da bist, würde ich mich besser fühlen. Ausgeglichener, freier. Es hat aber nicht funktioniert. Und das hat nichts damit zu tun, dass mir Valentin im Nacken sitzt.«
Andreas Geständnis führte bei Gina zu keiner sichtbaren Reaktion. Sie stand unbeweglich neben dem Herd. »Ach ja?« meinte sie lediglich zurückhaltend. Was wollte Andrea damit sagen? Hatte sie ihre Meinung geändert? Nein. Andreas Geständnis besagte nichts. Nichts außer der Tatsache, dass sie nach wie vor uneins mit sich selbst war.
»Was hast du erwartet, Andrea?« fragte sie. »Das mit einem Schlag alles wieder wird wie vor unserer ersten gemeinsamen Nacht?«
Andrea zögerte. »Ja«, sagte sie schließlich leise. »Ich habe es zumindest gehofft.«
Gina wandte sich stumm den Schnitzeln zu. Auch Andrea schwieg. Im Moment gab es nichts weiter zu sagen.
Nach dem Mittagessen stellten sie im Arbeitszimmer die Liege auf. Ginas Blick fiel auf die Bilder an der Wand.
»Das Zimmer war Marens Hobbyraum. Sie hat in ihrer Freizeit gemalt«, erklärte Andrea ruhig.
Gina schaute sich um. »Sie gefallen mir.« Sie trat an eines der Bilder heran und betrachtete es genauer. »Hat Maren auch ausgestellt?«
Andrea hielt in ihrer Bewegung inne. »Maren war auf dem Rückweg von einer Vernissage, als der Unfall passierte«, erzählte sie leise. »In der Nacht regnete es in Strömen. Der Fahrer des Wagens, der sie überholte, hatte es sehr eilig. Er schätzte die Entfernung und Geschwindigkeit des entgegenkommenden Wagens falsch ein. Der LKW auf der Gegenseite konnte nicht ausweichen. Für den Fahrer, der Maren überholte, reichte die Zeit weder zum Abbremsen noch zum weiteren Beschleunigen. Er wich nach rechts aus. Maren wurde von der Straße abgedrängt.«
Gina schluckte. »Wie schrecklich . . . und sinnlos«, sagte sie beklommen.
Andrea ging nicht darauf ein. »Carmen will sich ein Video ansehen«, sagte sie. »Ich werde mich wohl dazusetzen. Hast du auch Lust?«
»Ich glaube, ich ziehe mich lieber mit einem Buch zurück«, erwiderte Gina.
»Wie du meinst.« Andrea verließ schnell den Raum.
Sie ist froh, dass ich nicht mitkomme, dachte Gina, als sie ihr hinterherschaute. Jetzt, wo sie wieder an Maren denkt . . .
Gegen Abend klopfte es an die Tür, und Carmen schaute hinein. »Wollte nur mal sehen, was du so treibst.«
Gina hob lächelnd das Buch hoch, in dem sie las.
»Muss ja wahnsinnig spannend sein«, meinte Carmen. Sie trat ins Zimmer und schloss die Tür hinter sich.
Gina, die auf der Liege lag, setzte sich auf.
»Ich habe mich noch gar nicht bei dir bedankt«, sagte Carmen. Sie setzte sich neben Gina. »Hättest du nicht so geistesgegenwärtig reagiert, wer weiß . . .«
»Danke lieber dem Zufall, der mich genau zum richtigen Augenblick hierher gebracht hat«, entgegnete Gina.
Carmen lächelte. »Dem auch. Aber vor allem dir.« Sie küsste Gina auf die Wange. »Du bist meine
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