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Lass sie bluten

Lass sie bluten

Titel: Lass sie bluten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lapidus
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aber eher an schnellem Geld für Horse interessiert.
    Jorge verbrachte die Nacht im CarismaCare am Fridhemsplan unter seinem neuen Namen.
    Und dort lag er jetzt. Auf einer unbequemen Matratze. Mit ’ner Menge unruhiger Leute um sich herum. Es spielte keine Rolle – er hatte es geschafft.
    Er stand auf. Ging in den Gemeinschaftsraum. Mit einfachen Stühlen und einem verschlissenen Sofa. Einem Fernseher in der Ecke. Einem Telefon in einer anderen Ecke. Die Typen darin sahen aus wie sechzig, obwohl sie bestimmt nicht älter waren als dreißig. Eine kleine Rezeption. Gegenüber dem Rezeptionstresen eine große Pinnwand mit Werbung für die
Zeitschrift
Situation Stockholm
: die Möglichkeit, Austräger zu werden. Mit den Kursen der Volkshochschule: Rabatt für Obdachlose. Informationsfolder zu den Beiträgen. Bikram-Yogakurse in Mälarhöjden.
    Fuck that shit
.
    Jorge stellte seinen Rucksack auf den Boden. Darin: ein Pass und zwölfhundert Fünfhunderter. Er musste die Scheine JW geben, damit er sie umtauschen konnte. Dann musste er sich ein Flugticket zurück nach Thailand kaufen.
    Er war müde.
    Er rief Paola vom öffentlichen Telefon aus an. Gab ihr seine neue Nummer. Sagte ihr nicht, was passiert war. Hatte im Moment nicht die Kraft dazu.
    Er rief Mahmud in Thailand an. Der Kumpel wusste bereits, dass J-Boy die sechshundert Lachse ausgegraben hatte. Erklärte ihm alles, was in der vergangenen Nacht passiert war. Javier festgenommen. Der Hägerströmschwede möglicherweise ebenfalls festgenommen. Alles war den Bach runtergegangen.
    Mahmud moserte rum.
    »Babak hat doch vor, dich zu verpfeifen. Und mich vielleicht auch. Was zum Teufel unternimmst du dagegen?«
    »Du kannst Javier nicht einfach den Rücken kehren.«
    »Kannst du sie nicht irgendwie entlasten?«
    Jorge hatte keine Antworten parat. Sie beendeten das Gespräch.
    Er setzte sich wieder.
    Was zum Teufel sollte er nur tun?
    Er lehnte sich zurück.
    Einer der Typen im Gemeinschaftsraum sah aus wie Björn, sein ehemaliger Freizeitleiter.
    Mit grauem Bart. Glatze auf dem Oberkopf. Weißen Haarsträhnen an den Seiten. Freundlichen Augen.
    Jorge war vielleicht acht Jahre alt. Björn: der Freizeitleiter, der im Zeichnen ein wahrer Gott war. Alle Jungs baten ihn, irgendwelche Sachen zu zeichnen. U-Boote, Kamele, Ferraris. Björn schloss die Augen. Die Falten um seine Augen herum breiteten sich über sein ganzes Gesicht aus. Er sah aus wie der Weihnachtsmann persönlich.
    Jorge und seine Kumpels schlugen die schwächeren Kinder. Erklärten den Mädchen, die aufmüpfig wurden, dass sie Huren seien. Verwüsteten das Kuschelzimmer: klebten die Kissen auf dem Boden mit Leim fest, den sie in der Holzwerkstatt geklaut hatten. Schissen in Eimer, die sie in die Ventilationsgänge stellten, so dass es eine ganze Woche lang stank. Ihre Betreuer und Freizeitleiter versuchten mit ihnen zu reden. Sie zurechtzuweisen. Sie zu maßregeln. Selbstverfasste Verträge mit Übereinkünften aufzusetzen.
    Doch das kümmerte keinen von ihnen. Das schwedische Personal glich kläffenden Pudeln. Alle Jungs wurden zu Hause schließlich härter rangenommen. Der Versuch der Freizeitbetreuer, sie zu erziehen, war einfach nur albern.
    Der Einzige, den sie respektierten, war Björn. In seiner Gegenwart benahmen sie sich anständig. Und wenn er etwas anordnete, gehorchten sie sofort.
    Björn: wie ein alter weiser Mann.
    Jorge wünschte, er könnte jetzt hier sein. Ihm etwas zeichnen.
    Nur ein U-Boot.
    Das hätte schon gereicht.

53
    Sie hatten Hägerström direkt nach der Vernehmung gehen lassen. Natürlich. Sie hätten ihm auch nichts anhängen können, außer möglicherweise die Rangelei auf dem Östermalmstorg, bei der er die Fassung verloren hatte. Aber zu diesem kleinen Ausrutscher stellten sie ihm keine Fragen.
    Vielleicht würden sie ihn erneut zur Vernehmung einbestellen. Vielleicht würden sie ihn beschatten lassen. Er musste vorsichtig sein. Musste mit Kommissar Torsfjäll reden.
    Sobald er sein Handy einschaltete, piepte es. Entgangene Anrufe. Hinterlassene Nachrichten. Die SMS -Symbole ploppten auf dem Display hoch.
    JW und Torsfjäll hatten versucht ihn zu erreichen. Beide mit ungefähr denselben Fragen: Was zum Teufel ist passiert? Wie hat Jorge es geschafft, ihnen zu entkommen?
    Hägerström verabredete ein Treffen mit JW im Sturehof. Er ging von zu Hause aus zu Fuß hin. Es war kalt draußen. Unterwegs kaufte er sich ein neues Handy mit einer neuen SIM -Karte – sein altes würden

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