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Lass sie bluten

Lass sie bluten

Titel: Lass sie bluten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lapidus
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Präsident setzte sich auf der Bank auf. Wischte sich das Gesicht mit einem Handtuch ab, das er über den Schultern hängen hatte. Er wandte seinen Blick ab. Aber Hägerström wusste schon, wie er den Riesen weichklopfen würde.
    »Ich wollte nur sagen, dass ich viel Gutes über dich gehört habe.«
    »Von wem?«
    »Von Gürhan Ilnaz. Ich habe vorher in Hall gearbeitet.« Gürhan Ilnaz war der ehemalige Vizepräsident in derselben Gang wie Omar. Hägerström war dem Typen eigentlich noch nie begegnet, aber es würde etwas dauern, bis Abdi Husseini das herausbekäme.
    Omar lächelte flüchtig: ein kurzer Anflug von Zufriedenheit in seinem Riesengesicht.
    »Cool. Gürhan ist ’n guter Mann.«
    Omar stand auf. Wischte sich erneut die Stirn ab und danach den Kunststoffbezug der Bank.
    Ging zurück in den Korridor.
     
    Zwei Tage später war es erneut Zeit. Omar stand vor seiner Zellentür und unterhielt sich mit einem anderen Insassen, von dem behauptet wurde, dass er ein ehemaliges Mitglied in der Werewolf Legion sei. Hägerström trat näher. Hielt ein wenig Smalltalk. Übers Wetter, das Essen, das neue Laufband im Fitnessstudio, über dies und das. Er konnte es sich leisten. Er war bekannt als zugänglicher Aufseher.
    Nach fünf Minuten ging der Werewolf-Legion-Typ weg.
    Omar blieb stehen. Immer noch etwas kurz angebunden, aber er schien sich dem Gespräch auch nicht zu widersetzen.
    Nach einigen Minuten wechselte Hägerström das Thema. Begann über andere Insassen zu sprechen. Redete davon, wie viele Gerüchte verbreitet wurden. Erwähnte, was für blödes Zeug gequatscht wurde. Er nannte JW nicht, aber er sah, wie Omar zuhörte.
    Die Botschaft kam an: Die Leute redeten.
    Die Botschaft wurde eingehämmert: Sie redeten Scheiße.
    Die Botschaft wurde wiederholt: Es gab Leute, die Gerüchte über Omar verbreiteten.
     
    Hägerström durchquerte den zentralen Wachbereich. Grüßte die Aufseher. Ging weiter in den Umkleideraum. Nahm sein Handy an sich. Hängte seine Kleidung in den Schrank. Zog Arbeitskleidung an: dunkelblaue Chinos, einen stabilen Ledergürtel und ein dunkelblaues Hemd mit dem Logo des Strafvollzugs drauf. Er passierte die Sicherheitsschleuse, legte seine Schlüssel auf das Kontrollband. Begrüßte den diensthabenden Kontrollaufseher. Es piepte nicht. Das tat es nie.
    Er ging den Korridor entlang zur Abteilung, immer noch im kurzen Glücksrausch des Wochenendes.
    Sah Bilder in seinem Kopf. Er hatte Pravat am Donnerstag aus dem Kindergarten abgeholt. Sie waren zur Großmutter gefahren. Lottie wohnte noch immer in der Wohnung, auch wenn sie sich dort einsam fühlte, seit sein Vater gestorben war.
    Er sollte wirklich mal mit seiner Mutter über gewisse Dinge sprechen. Aber jetzt, wo Pravat dabei war, ging es schlecht. Und außerdem war sie bestimmt zu sehr darüber beunruhigt, dass die Polizei ihn suspendiert hatte. Wie würde sie jemals verstehen können, womit er sich eigentlich beschäftigte?
    Es war eine schöne Wohnung – ausnahmsweise war es angemessen, von einer Paradewohnung zu sprechen. Großmutter Lottie bezeichnete ansonsten alle Wohnungen als Luxuswohnung. Alle, sogar Hägerströms erste Einzimmerwohnung, die nur zwanzig Quadratmeter groß war. Er musste innerlich lächeln.
    Lottie öffnete die Tür. Als er in den Flur kam, roch es genauso wie immer. Eine Mischung aus dem Parfüm seiner Mutter, Madame Rochas, alten Möbeln und Reinigungsmittel. Es war kein abgestandener Geruch, aber auch keiner nach steriler Sauberkeit. Für Hägerström würde es immer der Duft seines Elternhauses sein.
    Pravat lief geradewegs in ihre Arme. Lottie trug sorgfältig gebügelte, schmale, beigefarbene Hosen und eine hellblaue Bluse mit einer Schärpe um den Hals, von Hermès oder Louis Vuitton, aber wahrscheinlich Erstgenanntem. »Nach Hermès«, pflegte Lottie zu sagen, »kommt nichts, dann kommt nichts, und dann kommt nichts. Und dann kommt vielleicht YSL .«
    Sie rief Pravat zu: »Hej, mein kleiner Goldschatz!« Lottie rufen zu hören, war nahezu surrealistisch. Etwas, das sie normalerweise als äußerst vulgär angesehen hätte. Pravat zog seine Jacke aus. Lottie half ihm, ein Paar Hausschuhe anzuziehen.
    Sie kamen in den inneren Flur. An den Wänden hingen Chrysanthementapeten von Josef Frank. Hägerström hörte, wie sie seine alten Hockeyschläger hervorholte.
    Er begann selbst in der Wohnung herumzuschlendern. Betrat den Salon, das Esszimmer, die Bibliothek, das Herrenzimmer, das ehemalige Arbeitszimmer

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