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Lass sie bluten

Lass sie bluten

Titel: Lass sie bluten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lapidus
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sah, dass jemand ein Fenster eingeschlagen hatte, würde er davon ausgehen, dass ein Einbruch stattgefunden hatte. Also war die Tür die bessere Wahl, vorausgesetzt, es funktionierte.
    An der Haustür und an den Fenstern waren Aufkleber angebracht: Das Haus ist durch einen Alarm gesichert. Pan World Security. Aber genau darum wollte Torsfjäll sich kümmern. Der Kommissar hatte bei Pan World Security angerufen und die Mitarbeiter aufgefordert, alle eventuell eingehenden Alarmmeldungen dieser Adresse innerhalb der nächsten Stunde zu ignorieren.
    Hägerström riskierte es. Hoffte, dass seine Aufseheruniform mögliche Nachbarn und Passanten täuschen würde. Dass sie sich nicht wunderten, warum er vor der Haustür stand und mit dem Schloss herumhantierte. Er hatte den Transporter in einiger Entfernung geparkt. Begriff, warum JW einen halben Kilometer von der Villa entfernt abgesetzt werden wollte – er wollte vermeiden, dass irgendein neugieriger Nachbar eine Verbindung zwischen Hansén und dem Wagen der Anstalt herstellte. Sie befanden sich schließlich in Djursholm – ein Wagen aus dem Strafvollzug wäre auf diesen Straßen noch ungewöhnlicher als ein Skoda.
    Hägerström nahm den elektrischen Dietrich zur Hand – das Standardwerkzeug der Polizei, das Torsfjäll ihm gerade per Taxiboten hatte zukommen lassen.
    Damit würde er vermutlich die Tür öffnen können. Er führte die Spitze des Dietrichs in das untere Schloss. Assa Abloy, ein ganz gewöhnliches Modell. Der Dietrich surrte.
    Seine Gedanken schweiften ab.
    Die Operation machte Fortschritte. Bereits vor der Fahrt mit dem Transporter hatte JW ihm nebenbei hin und wieder diverse Fragen gestellt.
    »Was meinen Sie, ist Juan-les-Pins besser als Cannes?«
    »Ich überlege, ob ich mir eine Wohnung in der Kommendörsgata kaufen soll, wenn ich rauskomme. Finden Sie, dass die Straße zu weit abseits liegt?«
    »Wie gefällt Ihnen der neue Audi? Ist er vielleicht ein bisschen zu protzig, oder passt er zu mir?«
    Hägerström dachte: Ist es nicht ziemlich langweilig, ’nen Audi zu fahren? Wenn man schon was Hochwertiges fahren wollte, warum dann nicht was richtig Hochwertiges? Ansonsten konnte man genauso gut einen alten Volvo kaufen.
    Dann schämte er sich: Es war merkwürdig – der Junge wirkte im Knast unter seinesgleichen so selbstsicher und entschlossen. Aber Hägerström gegenüber benahm er sich wie ein schüchterner Siebzehnjähriger, wenn sie über solche Dinge sprachen. Es weckte in ihm nahezu Vatergefühle.
    Hägerström konzentrierte sich wieder.
    Das Schloss klickte. Die Tür ließ sich öffnen. Dahinter befand sich eine verschlossene Gittertür. Er wusste, dass sie bedeutend sicherer war. Er kniete sich davor. Nahm einen anderen Dietrich zur Hand.
    Er versuchte sich an den Kurs zum Thema Schlösseröffnen zu erinnern. Er hatte zwar nur ein Buch darüber gelesen, aber es umso mehr praktisch geübt. Das Geheimnis des Öffnens eines Schlosses per Dietrich bestand aus drei Teilen. Ein Schreibtischschloss zu knacken, konnte jeder innerhalb eines Tages lernen. Aber stabile Schlösser aufzubrechen erforderte Konzentrationsvermögen, analytische Fähigkeiten und vor allem mechanisches Feingefühl.
    Es war schwerer, als er angenommen hatte. Aber sein Lehrer hatte ihn als Naturtalent eingestuft.
    Die Konzentration war nicht das Problem. Er war ehemaliger Küstenjäger, interner Polizeiermittler, ein Kopfmensch. Konzentration war ein Teil seines Alltags. Auch wenn ihm dabei oftmals anderes durch den Kopf ging, war er dennoch in der Lage, sich auf das jeweilige Schloss zu konzentrieren.
    Beim Öffnen von Schlössern war also in erster Linie mechanisches Feingefühl vonnöten. Zu lernen, mit dem Druckpunkt umzugehen. Das Problem bestand darin, dass die meisten Menschen im Leben gelernt hatten, ihren Körper oder die Hände in einer bestimmten Position zu halten, unabhängig davon, wie fest sie zudrückten. Aber beim Öffnen von Schlössern war es genau umgekehrt. Da ging es darum, den Druck auf einem gewissen Niveau zu halten. Wenn man den Dietrich herauszog, musste ein gleichmäßiger Druck gegen die Splinte ausgeübt werden. Man bewegte die Hand, behielt aber den Druck bei.
    Er schob den Dietrich ins Schloss der Gittertür.
    Versuchte sich zur Konzentration zu zwingen, alle Gefühle zu ignorieren, die nichts mit dem Schloss zu tun hatten. Er spürte einen leichten Windhauch im Gesicht. Irgendwo weit entfernt schlug eine Tür zu. Ein Vogel zwitscherte auf

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