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Lass sie bluten

Lass sie bluten

Titel: Lass sie bluten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lapidus
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Höhe des Bauchnabels feucht.
    Es fühlte sich an, als brenne es dort unten. So stark, dass er keinen weiteren Schritt machen konnte.
    Er dachte: Vielleicht ist jetzt alles vorbei. Vielleicht werde ich Pravat nie wiedersehen.
    Der Nachmittag in Djursholm war absolut still.
    Er spürte, wie das Blut heruntertropfte.
    Er lief zu seinem Wagen.

27
    Natalie stellte sich auf die andere Seite der Björngårdsgata – behielt die Haustür im Blick. Wartete darauf, dass das Mädel mit der Louis-Vuitton-Handtasche wieder herauskommen würde. Sie hoffte, dass es keinen Keller- oder Hinterausgang über den Hof gäbe. Eigentlich müsste sie längst unterwegs zur Bullenvernehmung sein, aber
fuck
auf die Polizisten – sollten sie sie doch ein anderes Mal vernehmen.
     
    Sie hatte Glück. Nach weniger als einer Viertelstunde wurde die Haustür geöffnet. Das Louis-Vuitton-Mädel kam heraus. Die Handtasche mit dem Monogramm hing an ihrem Unterarm. Schnelle Schritte auf Plateauschuhen mit dezimeterhohen Absätzen und einem Blick, der nicht einmal ansatzweise die Umgebung registrierte – dumme Tussi.
    Natalie folgte ihr. Sie bog in die Wollmar Yxkullsgata hinunter zur U-Bahn ab. Das Mädel war zu stark geschminkt. Sie trug ein rosafarbenes Top, eine kurze schwarz glänzende Jacke und enge Bluejeans. Sie war nur schwer einzuschätzen. Einerseits: das billige Oberteil und die Plateauschuhe. Andererseits: die Tasche, die echt aussah.
    Sie kamen unten am Bahnsteig an. Etwas entfernt stand lediglich ein Typ mit Kinderwagen.
    Das Mädel stellte sich ungefähr in die Mitte. Den Blick immer noch geradeaus gerichtet. Sie starrte auf die Werbeplakate auf der anderen Seite der Gleise: Bikini- und Badeanzugbräute von H&M sowie Werbung für einen Handyanbieter mit vierzig Millionen SMS gratis. Der digitalen Anzeige an der Decke zufolge würde der nächste Zug in fünf Minuten einfahren.
    Zwei Männer im Alter um die dreißig kamen mit jeweils einem Kinderwagen den Bahnsteig entlanggelaufen.
    Natalie ging ein paar Schritte vor: Sie stand jetzt ungefähr dreißig Meter von dem Louis-Vuitton-Mädel entfernt.
    Ein weiterer Typ mit Kinderwagen kam auf den Bahnsteig. Es schien sich hier auf Söder um irgendeine Art Religion zu handeln – alle Männer mussten einen Kinderwagen vor sich herschieben. Der Stadtteil mutete wie ein einziges großes Sektennest an.
    In dem Augenblick fuhr die U-Bahn ein. Das Mädel stieg ein. Natalie folgte ihr.
     
    Am Hauptbahnhof stieg die Braut wieder aus und ging die Treppen zur Blauen Linie hinunter.
    Sie liefen durch die Gänge in Richtung Unterwelt. Stellten sich auf den Rollsteig, der die Leute zwischen den Tunnels hin- und herbeförderte. Hier herrschte ein anderer Geist als auf Söder: keine Weichspülpapas mit Mutterkomplex – stattdessen internationales Feeling. Die Blaue Linie fuhr zwischen der City und den Ghettos hin und her. Natalie erblickte keinen einzigen Menschen, der typisch schwedisch aussah. Dennoch kam sie sich hier andersartig vor: Keiner von all den Somaliern, Kurden, Arabern, Chilenen oder Bosniern würde ihre schwedische Staatsbürgerschaft in Frage stellen. Oder besser gesagt, sie hatte zumindest das Gefühl, sah es an ihren Blicken. Sie schauten sie an, als wäre sie ein Teil des Systems, ein Bestandteil dieses Landes: eine hundertprozentige Schwedin. Normalerweise war sie letztlich ein Asy. Auch wenn Lollo, Tove und die anderen es nie geradeheraus sagten.
    Ein Zug fuhr ein. Das Mädel stieg ein. Der Wagen war proppenvoll. Natalie drängte sich hinein. Sie stand vier Meter von ihr entfernt. Natalie betrachtete sie eingehender. Sie hatte blondiertes Haar, das an den Haarwurzeln bereits einige Zentimeter herausgewachsen war. Ihre ursprüngliche Haarfarbe war schwer zu erkennen, aber wahrscheinlich ein schmutziges Blond. Ihre Augenbrauen waren stark gezupft – auch da konnte sie keine genaue Haarfarbe ausmachen. Sie war solariumgebräunt, genau wie Viktor. Auch wenn sie kaum älter als Natalie war, sah sie irgendwie verbraucht aus. Oder vielleicht auch nervös. Sie stellte fest: Dieses Mädel hatte Angst.
    Natalie nahm ihr iPhone aus der Handtasche. Hielt es lässig in der Hand. Tat so, als surfte sie oder verschickte SMS . Stattdessen knipste sie ein Foto nach dem anderen.
    Die Louis-Vuitton-Braut stieg in Solna aus. Natalie nahm die Verfolgung auf.
    Fünfzehn Meter hinter ihr. Eine lange Rolltreppe führte hinauf an die Oberfläche – die Blaue Linie war am tiefsten unter der

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