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Lasst die Spiele beginnen: Roman (German Edition)

Lasst die Spiele beginnen: Roman (German Edition)

Titel: Lasst die Spiele beginnen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niccolò Ammaniti
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jammern und starrten wie gebannt auf die Prozession.
    Die Gestalten waren riesig. Kreideweiß und mit kleinen Köpfen, die tief zwischen den abfallenden Schultern saßen. Dicke Fettpolster verbargen die Taille, und ihre Arme sahen aus wie Schinken. Manche trugen Bongos unter dem Arm, andere schlugen sich an die Brust und erzeugten dadurch den uralten Rhythmus. Es waren auch Frauen dabei, kleiner und mit beutelförmigen Hängebrüsten, die aussahen wie Scamorza-Käse, und Kinder, auch sie dick, die sich ängstlich an die Hände der Mütter klammerten.
    Langsam kam die schüchterne, plumpe Herde näher. Angezogen waren sie mit Trainingsanzügen, ausgeleierten Fleecejacken, Teilen von Gärtneruniformen. An den Füßen zerfledderte Turnschuhe, die mit Bindfaden oder Draht zusammengebunden waren. Manche hatten sich Hundehalsbänder um die dicken Oberarme geschnallt. Andere hatte kaputte Kopfhörer auf, an denen Schlüsselanhänger oder Kronkorken als Schmuck baumelten. Wieder andere trugen Fahrradmäntel um die Brust.
    Ihre Haut war farblos, und die roten, vorspringenden Augen schienen unter dem Licht zu leiden. In die farblosen Haare hatten sie rot-weiß gestreiftes Absperrband geflochten, wie es an Baustellen verwendet wird.
    Plötzlich hörten alle gemeinsam auf zu trommeln und blieben schweigend vor den Festgästen stehen. Dann bildeten sie zwei Flügel, um jemanden durchzulassen.
    Eine Gruppe alter Männer, so rachitisch, als kämen sie geradewegs aus einem Konzentrationslager, drängte sich zwischen den Riesenkerlen durch. Sie waren schneeweiß, aber keine Albinos. Manche hatten dunkle Haare.
    Die Riesenkerle knieten nieder. Dann wurden ein Mann und eine Frau auf weißen Plastikstühlen in die Mitte des Raumes getragen.
    Der Alte trug einen Kopfschmuck, der entfernt an den der amerikanischen Indianer erinnerte, bestehend aus einem Bic, Campari-Soda-Fläschchen und bunten Plastikschaufeln. Eine große Sonnenbrille von Vogue bedeckte fast sein ganzes Gesicht. Vor der Brust trug er eine Art Rüstung aus bunten Frisbee-Scheiben.
    Die Frau hatte einen blauen Eimer auf dem Kopf, von dem seitlich weiße Haarzöpfe herabhingen, in die Fahrradschläuche und Taubenfedern eingeflochten waren. Eingemummelt war sie in eine schmutzige Daunenjacke von North Face, aus der zwei dünne Beinchen mit Krampfadern herausragten.
    Der König und die Königin , sagte Fabrizio zu sich selbst.

67 Die beiden sind König und Königin , sagte sich Saverio, der sich auf der anderen Seite der weiträumigen Krypta befand.
    Der Fettsack hatte ihn dort, bei den anderen Festgästen, abgesetzt. Neben ihm saßen zwei ältere Damen im Reitkostüm. Stumm schüttelten sie synchron den Kopf, wie die Wackeldackel hinter der Heckscheibe mancher Autos. In einer Ecke, am Boden zusammengekauert, hockte Larita, der es augenscheinlich nicht sehr gut ging. Unablässig wischte sie sich über Gesicht und Hals, als wären sie von Insekten bedeckt.
    Seltsamerweise fühlte Saverio sich völlig entspannt. Eine furchtbare Müdigkeit war über ihn gekommen. Seit er Zombies verkohlte Leiche vom Boden aufgesammelt hatte, konnte ihn nichts mehr erschüttern. Reglos wie ein Buddha saß er da, mit entspannter Miene, neben den angstverzerrten oder tränenüberströmten Gesichtern seiner Leidensgenossen.
    Vielleicht ist das der Geist des Samurai, von dem Mishima spricht .
    Es gab einen grundlegenden Unterschied zwischen ihm und diesen Leuten. Anders als sie hing er nicht mehr am Leben. Und in gewisser Hinsicht fühlte er sich eher wie diese Monster, die wie ein Albtraum den Tiefen der Erde entsprungen waren. Nur dass sie geschafft hatten, was ihm und den Bestien nicht gelungen war. Das gesamte Fest in Angst und Schrecken zu versetzen.
    Ein Fettwanst mit einem Fahrradrad, das er wie einen Schutzschild trug, schlug mit einem Stock auf den Boden und sagte in einer unbekannten Sprache: »Тише.« [Ruhe!]
    Von seinem Plastikthron beäugte der alte König die Gefangenen und murmelte dann sehr leise: »Вьι cоветcкие?« [Seid ihr Sowjets?]
    Am liebsten wäre Saverio einer von ihnen gewesen, hätte jede Form von Initiation auf sich genommen, hätte sich an Haken in seinem Fleisch aufhängen lassen, um ihnen zu beweisen, dass er ein vollwertiges Mitglied war, ein Krieger. Ein Mitglied des Volkes der Finsternis.
    Die Festgäste sahen sich gegenseitig an, in der Hoffnung, dass irgendjemand diese kuriose Sprache verstehen würde.
    Ein Typ mit Tolle, blauem Auge und einer

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