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Lasst die Spiele beginnen: Roman (German Edition)

Lasst die Spiele beginnen: Roman (German Edition)

Titel: Lasst die Spiele beginnen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niccolò Ammaniti
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anbringen lassen, die ununterbrochen Daten über Wasserstand, Temperatur, Härte und PH-Wert an die zentrale Leitstelle meldeten. Ein Programm, das Roach mithilfe der Softwarefirma Douphine Inc. entwickelt hatte, steuerte über Pumpen die Wasserzufuhr in den verschiedenen Becken und sorgte so für die natürlichen Bedingungen, wie sie sonst am Viktoriasee, im Orinokobecken und im Mekongdelta herrschten.
    Während er sich vor Ort aufhielt, um den Bau der Wassernetze zu leiten, entdeckte der Ingenieur eines Tages zufällig das alte Ventil am großen Südsee. Das Ventil war ein archäologisches Fundstück aus der frühen Industriegeschichte, riesig, mit Moos bewachsen und einem Steuerrad aus Gusseisen. Darauf war der Name des Herstellers eingeprägt: GIESSEREI TREBBIANI, 1846. Sprachlos starrte Roach auf diesen Namen, dann sank er auf die Knie und begann, laut zu schluchzen.
    Seine Mutter hieß Jennifer Trebbiani, und ihre Familie stammte aus den Abruzzen.
    In den letzten Tag vor ihrem Tod, als der Krebs ihren Darm schon fast vollständig zerfressen hatte, hatte die Frau ihrem Sohn noch erzählt, dass sein Urgroßvater aus Pescara kam und die Gießerei der Familie seinem Bruder überlassen hatte, als er nach Amerika ausgewandert war.
    Also war dieses Ventil logischerweise ein Produkt aus der Gießerei seiner Vorfahren.
    In einem Anfall von Nostalgie hatte Nick Roach daraufhin beschlossen, das Ventil nicht auszutauschen. Er wusste zwar, dass das planungstechnisch nicht korrekt war und dieses Fossil im Fall eines Blackouts dem Druck nicht standhalten würde, aber er ließ es trotzdem an seinem Platz, zu Ehren seiner Mutter und seiner Vorfahren aus Pescara.
    Als nun in der Nacht des Festes plötzlich der Strom ausfiel, fielen auch alle Computer aus, die für die Regelung des Wasserspiegels verantwortlich waren; der See füllte sich immer mehr und setzte Leitungen und Ventile einem übergroßen Druck aus.
    Um vier Uhr siebenundzwanzig spritzte das Wasser aus den Dichtungen wie aus einer Gießkanne, aber das alte Ventil schien zu halten. Doch dann ertönte ein dumpfer Ton, ein metallisches Kreischen, und das gusseiserne Steuerrad schoss heraus wie ein Champagnerkorken. Die Leitung flog in die Luft, und zwei Millionen Liter Wasser wurden vom Ablauf in der Mitte des Sees angesaugt, sodass in wenigen Minuten ein Mahlstrom entstand, der Krokodile, Wasserschildkröten, Störe, Seerosen und Lotosblumen mit sich riss.
    Das Wasser bohrte einen Trichter in die Erde, brach durch die Tuffdecke des Katakombengangs, der genau unter dem See verlief, und flutete ihn wie eine riesige Wasserleitung. Es dauerte keine drei Minuten, da war das oberste Stockwerk des antiken christlichen Friedhofs vollgelaufen, und das Wasser riss alles mit sich fort, was ihm in die Quere kam: Knochen und Steine, Spinnen und Mäuse. Dann stürzte es spritzend und gurgelnd die steilen, von den ersten Christen unter größten Mühen mit behelfsmäßigen Meißeln ausgeschlagenen Stufen hinunter in das nächsttiefere Stockwerk. Dort schien das Wasser zunächst, durch den geringen Raumumfang der Treppe gebremst, an Wucht zu verlieren, doch dann schwemmte die heranbrandende Welle ein riesiges Tuffstück hinweg wie eine Sandburg, und das Wasser fand einen neuen Weg, um seine ganze unbezähmbare Wut auszutoben und alles unter sich zu begraben, was ihm in die Quere kam. Antike Fresken wie die beiden Turteltauben, die seit zweitausend Jahren die Grabstätte eines reichen Tuchhändlers geziert hatten, wurden einfach weggespült.
    Laut dröhnend rollte die furchtbare Wasserfront dann unaufhaltsam auf die große Krypta zu, wo die Festgäste und das Volk, das unter der Erde lebte, sich aufhielten.

Disco (new and revival) mit DJ Sandro
    69 In der Krypta plauderten die Festgäste angeregt, gaben Beurteilungen ab und drängten sich um die Russen, als wären sie auf einer Vernissage. In seinem zerfetzten Löwenjägeroutfit unterhielt sich Federico Gianni, der Geschäftsführer von Martinelli, mit Ciba. »Hör mal, das ist doch eine völlig abgefahrene Geschichte … sowjetische Athleten, die fünfzig Jahre lang im römischen Untergrund leben. Das gibt doch einen sagenhaften Romanstoff ab. Mindestens so spannend wie Der Name der Rose, wenn du mich fragst.«
    Fabrizio hielt sich bedeckt. Gianni war ein gemeiner Verräter. »Meinst du? Ich finde das gar nicht so ungewöhnlich. Solche Dinge passieren doch relativ häufig.«
    »Spinnst du? Das könnte ein ganz großes Buch werden.

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