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Lasst die Spiele beginnen: Roman (German Edition)

Lasst die Spiele beginnen: Roman (German Edition)

Titel: Lasst die Spiele beginnen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niccolò Ammaniti
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Um die Frau herum kniete ein Dutzend der Riesenkerle, die eine seltsame Litanei murmelten, die Hände ausstreckten und die winzigen weißen Brüste mit braunen Brustwarzen, den flachen Bauch mit kuppelförmigem Bauchnabel, das mit rötlichem Haar spärlich bewachsene Schambein und die langen Beinen streichelten.
    Das Model räkelte sich lustvoll wie eine Raubkatze, bewegte faul den Kopf, die Augen in Ekstase halb geschlossen, den breiten, feuchten Mund weit aufgerissen. Keuchend legte sie die Hände auf die Köpfe der Riesenkerle, die um das Bett herumhockten wie Sklaven, die eine heidnische Göttin anbeten.
    Zóltan wandte sich ab, zündete die Kerze wieder an, ging den langen Flur entlang und betrat Chiattis Arbeitszimmer. Er hob die Kerze. Sein Bild war noch da. Niemand hatte es angerührt.
    So etwas wie ein Lächeln glitt über das Gesicht des Chefkochs. »Ich wünsche es mir nicht, ich muss es haben.« Er machte einen Schritt auf das Bild zu, doch dann hörte er Geräusche aus der dunklen Ecke des Zimmers. Er drückte sich flach an das Bücherregal.
    Aber das waren keine Geräusche, eher ein abstoßendes Schmatzen.
    Zóltan hielt die Kerze hoch und sah, in einer Ecke zwischen zwei Bücherregalen, einen alten Mann knien. Er war zum Skelett abgemagert. Der kleine, kahle, zum Boden gebückte Kopf war hinter dünnen Schulterblättern versteckt, und man sah nur den Rücken mit den Wirbeln, die sich wie eine Bergkette abzeichneten. Die Haut, so dünn wie Seidenpapier, war mit einem Netz aus Falten überzogen und hing schlaff an den spindeldürren Armen herab. Der Alte riss irgendetwas ab und steckte es sich in den Mund, wobei er kehlige, gurgelnde Laute ausstieß.
    Neugierig ging der Koch einen Schritt näher. Das Parkett knarrte.
    Ruckartig drehte der Mann sich um und knirschte mit den wenigen faulen Zähnen, die er noch im Mund hatte. Die kleinen Augen glänzten wie bei einem Maki. Das abgemagerte Gesicht war mit einer dunklen, öligen Masse verschmiert. Knurrend wich er zurück und drückte die Schultern an die Wand. Zwischen den Füßen stand eine große Auflaufform mit den Resten einer Parmigiana di melanzane.
    Der Chefkoch grinste. »Schmeckt gut, nicht? Die habe ich gemacht. Mit Tomaten-Passata. Und die Auberginen sind in leichtem Öl frittiert.« Dann ging er auf das Bild zu.
    Der Alte reckte den Kopf und ließ ihn nicht aus den Augen.
    »Iss ruhig weiter. Ich nehme nur das hier und gehe wieder«, sagte der Chefkoch mit leiser, beruhigender Stimme, aber der Alte brummte, schnappte sich die Form vom Boden und stürzte auf ihn zu. Zóltan streckte die rechte Hand aus und legte sie ihm auf den Schädel.
    Alexej Jusupov, der berühmte Marathonläufer, erstarrte augenblicklich. Seine Augen erloschen, die Arme sackten kraftlos auf die Hüften. Aus der Form, die er noch in der Hand hielt, tropften die Reste der Parmigiana zu Boden.
    Seltsam, plötzlich war die Furcht vor dem schwarzen Mann wie weggeblasen, ja, er mochte ihn sogar. Er erinnerte ihn an den alten Mönch aus seinem Dorf. Und von der Hand auf seiner Stirn strömte eine wohltuende Wärme durch seine alten, arthritischen Knochen. Es kam ihm vor, als ginge davon eine heilende Energie aus, die die Knochen umfing und die vom Alter und der Feuchtigkeit des Lebens unter der Erde steif gewordenen Gelenke geschmeidig machte. Plötzlich fühlte er sich wieder so stark und fit wie als Kind.
    Seit Jahren hatte er nicht mehr an diese Zeit seines Lebens gedacht.
    Damals lief er Kilometer um Kilometer am Ufer des zugefrorenen Baikalsees entlang, ohne je müde zu werden. Und sein Vater stoppte, dick eingemummelt, seine Zeiten. Wenn er seine Zeit verbessert hatte, gingen sie, um zu feiern, zum Angeln an einen langen Steg, von dem man das schneebedeckte Bargusingebirge sehen konnte. Am schönsten war es im Winter, dann schlugen sie ein Loch ins Eis und ließen die Köder hinab. Und wenn sie Glück hatten, zogen sie große braune Karpfen heraus. Starke Tiere, die stolz um ihr Leben kämpften, bevor sie aufgaben.
    Und wie köstlich ihr fettes Fleisch schmeckte, gekocht, mit Kartoffeln, Schwarzkohl und Meerrettich. Was würde er dafür geben, noch einmal diese Filets zu kosten, die auf der Zunge zergingen, und den Meerrettich, der in der Nase britzelte.
    Alexej war wieder in der Anglerhütte, die nur von einer Petroleumlampe und dem Widerschein des Holzofens erhellt wurde. Papa gab ihm ein Glas Wodka zu trinken und sagte, das sei wie Benzin für den Körper eines Läufers,

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