Lasst die Spiele beginnen: Roman (German Edition)
eigentlich, wo du jetzt wärst?«
Saverio umklammerte den Griff des Durendal so fest, als wollte er ihn durchbrechen. Er hätte ihn umbringen können, diesen alten Schuft. Es wäre so einfach. Mit einem kurzen Schwerthieb zwischen dem dritten und vierten Halswirbel.
»Und hat er vielleicht unrecht?« Serena zeigte auf ihn. »Sieh dich an, schleichst dich heimlich davon, mit Karnevalskostümen und einem Schwert, um mit deinen Freunden zu spielen … Du bist doch keine dreizehn mehr. Und ich bin nicht deine Mutter.«
Mit gesenktem Kopf ließ Saverio die Spitze des Durendal auf das Parkett sinken.
»So kann es nicht weitergehen. Ich hab jeden Respekt vor dir verloren. Ich brauche einen Mann. Hast du dich nie gefragt, warum ich nicht mit dir schlafen will?« Sie drehte sich um und ging ins Schlafzimmer. Dort hörte er sie sagen: »Geh nur. Lauf. Du willst doch deine Freunde nicht warten lassen. Aber nimm den Müll mit.«
Ungefähr eine Minute blieb Saverio an der Wohnungstür stehen. Draußen machte das Gewitter keinerlei Anstalten abzuklingen. Wenn er jetzt ging, würde sie ihm eine Woche lang das Leben zur Hölle machen. Er legte das Durendal in den Karton zurück und brachte die Tüte mit den Tuniken zurück in die Abstellkammer. Er trank noch einen Magenbitter. Besser, er schlief auf dem Sofa. Morgen früh würde Serena ruhiger sein, und sie könnten Frieden schließen, oder etwas Ähnliches.
Er musste ihr beweisen, dass er keine lahmarschige Kakerlake war. Und dazu gab es nur ein Mittel: Er musste den Quartalsumsatz schaffen und so den Alten zum Schweigen bringen. Er trank noch einen Schluck und ging halb angesäuselt ins Bad, um sich die Zähne zu putzen.
Wie zum Teufel war er bloß darauf gekommen, er könne Larita abmetzeln? Dafür hätte er doch einen Tag freinehmen müssen, und bei den roten Zahlen war das momentan einfach undenkbar. Und dann, da brauchte er sich nichts vorzumachen, hatten außer seiner Frau auch die Bestien jeden Glauben an ihn verloren.
Er spuckte die Zahnpasta ins Waschbecken, trocknete sich den Mund ab und betrachtete sich im Spiegel. Die Schläfen waren fast weiß und die nachwachsenden Bartstoppeln am Kinn grau.
Du bist doch keine dreizehn mehr. Und ich bin nicht deine Mutter.
Serena hatte recht. Mehr als recht. Wenn er ihr nicht bewies, dass sie sich auf ihn verlassen konnte, würde sie ihm beim Tod des Vaters nie und nimmer die Leitung der Möbelfabrik übergeben.
Ich habe zwei Kinder großzuziehen. Sie sollen nicht in dem Bewusstsein aufwachsen, dass ihr Vater ein Versager ist.
Und es war allein seine Schuld, wenn alle so dachten.
Basta! Die Geschichte mit der satanischen Sekte muss ein Ende haben. Morgen rufe ich die Bestien zusammen und sage ihnen, dass das Spiel aus ist.
Er zog Hemd und Unterhemd aus. Auch die paar Haare auf der Brust wurden langsam grau. Er drehte den Wasserhahn in der Dusche auf, dann wieder zu. Er riss den Mund zu einem stummen Schrei auf. Tränen liefen ihm über die Wangen.
Wieso hatte er sich selbst in diese schreckliche Lage gebracht. Aus welchem absurden Grund hatte er sich freiwillig mit dieser Hexe in einen Käfig gesperrt und die Schlüssel seiner Existenz weggeworfen? Als er jung war, hatte er jede Menge Pläne. Mit dem Zug durch Europa reisen. Nach Transsylvanien fahren, um das Schloss des Grafen Vlad zu besichtigen. Die Dolmen und Skulpturen auf der Osterinsel sehen. Latein und Aramäisch lernen. Nichts von alldem hatte er gemacht. Zu früh hatte er eine Frau geheiratet, die auf Ferienanlagen stand und nichts lieber tat, als in Marken-Outlets auf Schnäppchensuche zu gehen.
Er trat wieder an das Waschbecken und betrachtete sich erneut im Spiegel, als müsse er sich vergewissern, dass er immer noch derselbe war. Er nahm das Handtuch und legte es auf den Kopf.
»Moment … Warte einen Moment«, sagte er zu sich selbst.
Dies, das durfte er nicht vergessen, war ein besonderer Tag, den konnte er sich nicht nehmen lassen, nicht durch einen Streit mit Serena. Mit jeder Faser seines Körpers spürte er, dass er nur den Mut aufbringen musste, sich zu wehren, dann wäre dies der Beginn eines neuen Lebens. Und zwar nicht wegen Gerry Scotti oder der Wolke mit dem Satansgesicht, die ihm wie ein Zeichen vorgekommen war, oder wegen Kurtz Minetti, der ihm den Stellvertreterposten angeboten hatte. Der wahre Grund war dieses Nein. Das war zu schön. Zu befriedigend. Das konnte er sich nicht einfach so ruinieren. Es war das erste Mal, dass er NEIN
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