Lasst die Spiele beginnen: Roman (German Edition)
Schizophrenen noch versteckt sein musste.
Aber das war undenkbar. In den dreiundvierzig Jahren ihres Lebens hatte Serena noch nie um Gnade gefleht. Nicht einmal damals bei den Ursulinen, als man ihr mit dem Lineal auf die Fingerknöchel geschlagen hatte. Denn der Charakter von Serena Mastrodomenico war durch die rigide, nahezu protestantische Ethik der Tiroler Tischlermeister geprägt. Papa, der seine Jugend als Lehrling in einer Tischlerei in Bruneck verbracht hatte, hatte ihr erklärt, Edelhölzer müsse man spalten, die könne man nicht biegen.
(Und du, mein Sternchen, du bist so hart und kostbar wie Ebenholz. Und du lässt dich von niemandem unterkriegen. Auch nicht von deinem Ehemann. Versprich mir das.
Ja, Papilein, das verspreche ich dir.)
Folglich kam es für sie überhaupt nicht infrage, einen wie Saverio Moneta, Sohn eines einfachen Osram-Arbeiters und einer ungebildeten Hausfrau, diesen Scheißkerl, diesen Versager, Schnorrer und Psychopathen um Gnade anzuflehen. Sie hatte ihm alles beigebracht, ihn in ihr Bett gelassen, hatte dafür gesorgt, dass er von ihrem Vater, diesem Heiligen, anerkannt wurde, sie hatte sein verdorbenes Sperma empfangen, um Kinder zu zeugen, und jetzt wagte dieser Scheißkerl es tatsächlich, sie mit einem Schwert zu bedrohen.
Serena schnappte sich den Wecker vom Nachttisch, schleuderte ihn auf Saverio und knirschte mit den Zähnen: »Du kannst mich mal! Bring mich ruhig um! Los, tu’s doch, wenn du den Mut dazu hast. Ich habe keine Angst vor dir, du lahmarschige Kakerlake! Du Schlappschwanz!« Und mit den Händen winkte sie ihn zu sich heran.
18 Das Haus, in dem Margherita Levin Gritti wohnte, war ein altes hochherrschaftliches Gebäude mit einem großen Portal, hinter dem sich eine kleine Tür versteckte.
Fabrizio Ciba drückte den Knopf auf dem vergoldeten Klingelschild. Ein kleiner Strahler über der Videokamera leuchtete ihm in die Augen. Mit klappernden Zähnen wartete er eine halbe Minute und drückt dann noch einmal. Er sah auf die Uhr. Zehn nach zwölf.
Stochastisch gesehen, war es ziemlich unwahrscheinlich, dass sie nicht zu Hause war. So viel Pech auf einmal konnte man nicht haben. Das wäre, als wenn man beim Würfeln zehn Mal hintereinander eine Sieben wirft.
Er klingelte Sturm. »Los, geh ran! Geh endlich ran! Wach auf!«
Und dann hörte er Gott sei Dank eine Stimme: »Wer ist da? Fabrizio, bist du das?«
»Ja, ich bin’s. Mach auf«, sagte er zu dem Auge der Videokamera.
»Was willst du hier, um diese Uhrzeit?« Die Stimme klang verwundert.
»Lass mich rein. Ich bin klatschnass.«
Kurzes Schweigen, dann: »Ich habe … Heute Abend geht es nicht. Entschuldige.«
»Wie bitte?« Fabrizio glaubte, seinen Ohren nicht zu trauen.
»Tut mir leid …«
»Warte, es ist etwas Furchtbares passiert. Martinelli will mich abservieren. Mach auf!«, kommandierte er. »Ich will nicht bumsen.«
»… Aber ich, ich bin gerade dabei.«
»Wie, du bist gerade dabei? Das gibt’s doch nicht!«
»Wieso nicht? Was soll das heißen?« Die Stimme der Agentin war dabei umzukippen.
»Ach, nichts, gar nichts. Na gut, macht nichts, mach mir trotzdem auf. Ich erzähl dir kurz, was los ist, trockne mich ab, und dann rufe ich mir ein Taxi.«
»Das kannst du auch vom Handy.«
»Du weißt doch, dass ich kein Handy habe. Hör zu, du legst einfach eine kurze Pause ein, und danach kannst du weitermachen. Was soll schon sein?«
»Fabrizio, weißt du eigentlich, was du da redest? Du bist unmöglich.«
Ciba spürte, wie sich die Wut in seinem Bauch ausbreitete. »Nein, du bist unmöglich. Guck mich doch mal an, verdammt!« Er streckte die Arme von sich. »Ich bin nass bis auf die Haut! Ich riskiere eine Lungenentzündung. Es geht mir schlecht. Mach jetzt die verdammte Tür auf!«
Die Stimme der Agentin klang fest. »Du kannst mich morgen früh anrufen.«
»Also du machst wirklich nicht auf?«
»Nein! Das hab ich doch gesagt, ich mach nicht auf.«
Fabrizio Ciba explodierte. »Na gut, weißt du was? Du kannst mich mal. Du und diese Jammergestalt, die Dichterin, ich weiß Bescheid, was dachtest du denn? Wie hieß die noch gleich …? Egal, ihr könnt mich mal, alle beide, ihr fetten Scheißlesben. Du bist gefeuert.«
Vor Wut trat er beim Weggehen gegen die parkenden Autos.
19 Was für eine Frau! Sie kämpfte wie eine Löwin!
Dass sie eine Kämpferin war, hatte er immer schon gewusst, aber dass sie so weit gehen würde, hätte er nicht gedacht. Sie war bereit zu kämpfen,
Weitere Kostenlose Bücher