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Lasst die Spiele beginnen: Roman (German Edition)

Lasst die Spiele beginnen: Roman (German Edition)

Titel: Lasst die Spiele beginnen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niccolò Ammaniti
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Gefressenwerden außer Kraft gesetzt worden waren. Für diese heterogene Fauna hatte sich im Verlauf der Monate eine Art ökologisches Gleichgewicht eingespielt. Jede Tierart hatte ihre Nische gefunden. Die Flusspferde nahmen den See neben dem alten Kiosk in Beschlag und rührten sich von da nicht mehr weg, die Krokodile bevölkerten gemeinsam mit den Piranhas den zweiten künstlichen See bei den Schaukeln und Rutschen. Löwen und Tiger gründeten eine Kolonie auf dem Monte Antenne. Die australischen Fledermäuse, von denen jede einzelne sechs Kilo wog, fanden Zuflucht in den Katakomben. Auf der großen flachen Wiese neben der früheren Botschaft weideten Gnus, Zebras, Kamele und Büffelherden, die Sasà sich direkt aus Mondragone hatte kommen lassen.
    Bei den Vögeln war die Sache ein bisschen komplizierter. Als Stefano Coppé, der neben seiner Suzuki Burgman 250 auf dem Boden lag, weil er an der Auffahrt von der Salaria zur Olimpica von einem Opel Meriva angefahren worden war, über sich einen Schwarm Geier kreisen sah, begriff er, dass es nicht gut für ihn aussah. Auf dem Balkon der Familie Rossetti in der Via Taro baute ein Kondorpärchen sein Nest und zerfetzte Anselmo, den getigerten Hauskater, als der verzweifelt versuchte, den Balkon gegen die Eindringlinge zu verteidigen. Im Stadion Acqua Acetosa erblickten die Athleten Milane und Schleiereulen, die es sich auf den Pfosten der Rugby-Tore bequem gemacht hatten. Dem Fischhändler in der Via Locchi wurde von einem Fischadler ein drei Kilo schwerer Wolfsbarsch entwendet. Und auf der Tangenziale bombardierten Papageien und Tukane die Windschutzscheiben der vorbeifahrenden Autos mit ihrem Mist.
    Sasà Chiattis Idee war so grandios wie simpel: Zur Einweihung seiner Villa wollte er ein Fest ausrichten, das an Glanz und Exklusivität alles bisher Dagewesene übertreffen und als das größte gesellschaftliche Ereignis unserer Republik in die Annalen der kommenden Jahrhunderte eingehen sollte. Damit würde er auch seinen Ruf als zwielichtiger Immobilienhai endgültig ablegen und könnte sich im strahlenden Image eines milliardenschweren, exzentrischen Magnaten sonnen. Er würde Hof halten wie der Sonnenkönig in Versailles, und Politiker, Unternehmer, Vertreter aus Kultur und Sport würden herbeiströmen, um ihm zu huldigen. Doch dazu reichte ein simples Fest mit Musik, Tanz, Cotillon nicht aus. Dazu brauchte man etwas absolut Einmaliges und Unvergleichliches, das alle in ungläubiges Staunen versetzen würde.
    Eines Abends, als er gerade den Film Jenseits von Afrika mit Robert Redford und Meryl Streep gesehen hatte, war ihm die zündende Idee gekommen.
    Eine Safari! Er würde die Gäste mit einer Safari überraschen. Aber eine, so beschloss er in seinem Größenwahn, würde nicht reichen. Drei mussten es sein. Eine klassische englische Fuchsjagd, eine afrikanische Löwenjagd mit farbigen Treibern und eine indische Tigerjagd zu Elefant.
    Doch damit alles nach Plan lief, durfte von den Festvorbereitungen vorher absolut nichts durchsickern. Deshalb ließ er sämtliche Wärter, Arbeiter und das gesamte Personal einen Vertrag mit Geheimhaltungsklausel unterschreiben.
    Er heuerte den berühmten weißen Jäger Corman Sullivan an, der sich rühmte, 1934 den Schriftsteller Ernest Hemingway auf einer Großwildjagd begleitet zu haben. Sullivan hatte ein undefinierbares Alter, zwischen achtzig und hundert, litt an chronischer Leberzirrhose und lebte seit zwanzig Jahren in einem von Missionsschwestern geführten Pflegeheim in Manzini Town in Swasiland, einem kleinen Staat an der südafrikanischen Grenze. Als der Jäger in Fiumicino landete, war er durch diverse Lungeninfektionen derart geschwächt, dass er erst mal drei Tage in einer eigens für ihn in Civitavecchia bereitgestellten Überdruckkammer verbringen musste. Danach konnte er dann endlich im Krankenwagen zur Villa Ada gefahren werden. Dort musste er noch zwei weitere Tage das Bett hüten, wobei er Blut und Schleim spuckte und darauf wartete, dass der Anfall von bösartiger Malaria abklang, von der er regelmäßig heimgesucht wurde. Als er wieder aufstehen konnte, machte sich der alte Alkoholiker an die Organisation der drei Jagden.
    Hinsichtlich der Fuchsjagd gab es keine großen Probleme. Sasà Chiatti hatte den Marstall der Savoyer restaurieren lassen und hielt dort fünfundzwanzig reinrassige Lipizzaner. Und im Hundezwinger hatte er eine Meute Beagles, die er von einer in Konkurs gegangenen Pharmafirma gekauft hatte.

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