Lasst die Spiele beginnen: Roman (German Edition)
denn überhaupt zu Hause? Mit äußerster Mühe sah er sich um und stellte fest, dass er in seiner Wohnung in der Via Mecenate auf dem Sofa lag, in Unterhosen, mit einer Decke zugedeckt.
Irgendwann einmal hatte ihm ein alter Schriftsteller aus Udine, ein echter Säufer, sein Spezialgebräu gegen derartige Fälle von tödlichem Kater verraten. Auch wenn das, was Fabrizio jetzt empfand, eher an die Nachwirkungen einer Hirnoperation erinnerte als an einen Kater.
3 Alka-Seltzer, 2 Pillen Serenase, 35 Tropfen Novalgin auf ein Glas Wasser, dann isst du ein Stück Brot und legst dich schlafen. Du wirst sehen …
Aber was?
Allerdings hatte sein Gewährsmann aus Udine nicht bedacht, dass der prekäre Zustand, in dem Fabrizio sich befand, bei der Herstellung der galenischen Mischung objektiv ein Problem darstellte. Doch irgendwie gelang es Ciba aufzustehen. Dann torkelte er durch die Wohnung, wobei er sich an allem festhielt, was ihm in den Weg kam. Im Bad angekommen, bereitete er unter großen Mühen den Zaubertrank. In einem Zug goss er ihn runter, rülpste und schleppte sich wieder ins Schlafzimmer, klappte die Fensterläden zu, steckte das Telefon aus und legte sich ins Bett. Die kühlen Laken, das weiche, nach Weichspüler duftende Kopfkissen und der leichte Druck des Federbetts empfand er als wohltuend, das einzig Angenehme in dieser Hölle, in der er aufgewacht war. Im Bett fühlte er sich geborgen, es hüllte ihn ein wie die Muschel den Krebs und schützte ihn vor allen Bösewichtern der Welt.
Er starb.
Ein paar Stunden später wachte er auf. Schlaf und Cocktail hatten funktioniert. In den Schläfen hämmerte es zwar noch, und seine Glieder schmerzten, als hätte er den Monte Rosa erklommen, aber es ging ihm besser.
Er schlich durch die Wohnung und versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen. Vor allem brauchte er einen Kaffee, ein schönes Brötchen mit Schinken und Käse und eine heiße Dusche.
Im warmen Regen und mit vollem Magen setzten sich die Stücke des Abends wieder zusammen. Die wichtigsten Tatsachen waren drei:
1) Bei Martinelli wollten sie ihn abservieren;
2) Seine Agentin, seine einzige Verbündete, hatte er gefeuert;
3) Er hatte fast einen Infarkt gehabt, einen Herzschlag, irgendetwas in der Art.
Der letzte Punkt machte ihm am wenigsten Sorgen. Da er ohnehin einen chronischen Horror vor Ärzten und Schmerzen hatte, spielte Fabrizio Ciba jedes gesundheitliche Problem herunter. Der Tequila war an allem Schuld.
Die beiden anderen Punkte machten ihm hingegen ziemlich zu schaffen. Er brauchte umgehend einen Plan. Gianni hatte recht, kein anderer Verlag würde ihm so viel zahlen wie Martinelli.
Er ging auf den Balkon und lehnte sich an das Geländer, um seine Gedanken zu ordnen. Himmel und Sonne waren von einem dunklen Schleier verhangen, der sich drückend auf die Hauptstadt senkte wie ein giftiges Gas, und der Verkehrslärm war selbst in dieser Höhe ohrenbetäubend. Unter ihm lag das Kolosseum, und drumherum ein Gewusel aus Touristen, Autobussen, Zenturionen und Andenkenverkäufern. Er dachte an ihr erbärmliches Leben, die Abende in der Pizzeria, den Urlaub. Die Raten fürs Auto. Die Schlangen in der Post. Einfache, gewöhnliche Probleme.
Die Glücklichen! Sie wussten nicht, was echtes Leid war. Warum arbeite ich nicht einfach bei einem Immobilienmakler? Ohne den Stress, ständig kreativ sein zu müssen, ohne der Menschheit ständig intelligente Dinge sagen zu müssen? Und wenn ich einfach aufhöre? Für immer?
Vor seinem geistigen Auge erschien das Bild von Jerome David Salinger, dem großen Autor von Der junge Holden . Jerome … Du bist doch wirklich einer der ganz Großen. Genau wie ich hast du ungefähr drei Bücher geschrieben. Genau wie ich hast du ein Meisterwerk geschaffen, dann bist du verschwunden und zum Mythos geworden. Das sollte ich auch machen. Mit den Einnahmen aus der Löwengrube könnte ich es theoretisch schaffen. Aber ich müsste meinen Lebensstandard senken.
Jeden Monat gab Fabrizio Ciba für allen möglichen Blödsinn insgesamt fünfzehntausend Euro aus. Obwohl sein letzter Roman, Nestors Traum , bereits vor fünf Jahren erschienen war und sich seither weniger als zweihunderttausendmal verkauft hatte, konnte er sich diesen Lebensstandard dank der Löwengrube erlauben. Dieses Romänchen von hundertzwanzig Seiten stand immer noch ganz oben auf der Bestsellerliste, war auf der halben Welt übersetzt, und Paramount hatte die Filmrechte gekauft.
Mit ein bisschen
Weitere Kostenlose Bücher