Lasst die Spiele beginnen: Roman (German Edition)
Ganze nicht aus wie das Werk von Tieren, sondern eher von Menschen. Alle Zelte waren zerrissen und zusammengeknüllt.
Larita blickte sich fassungslos um. »Wo sind die nur alle abgeblieben?«
Auch Kellner, Köche, Personal waren verschwunden.
Larita ging zur Mole. Gegen seinen Willen folgte Fabrizio ihr.
Auf den Booten sah es genauso aus. Das Buffet war geplündert. Die Reste des indischen Essens waren zwischen den Blumen verstreut, die Statuen der indischen Gottheiten waren zerschlagen, auf der verlassenen Bühne lag eine kaputte Sitar. Auf einem Tisch hockte eine große Krähe und pickte an einem Tanduri-Hühnchen.
Fabrizio ging zu Larita. »Ich möchte so schnell wie möglich weg hier. Das Ganze gefällt mir überhaupt nicht.«
Larita hob einen silbernen Schuh auf. »Ich verstehe nicht …«
»Egal … Lass uns gehen.«
Da hörten sie hinter sich eine Frauenstimme. »Mein Mann …«
In einer Tür stand eine Frau mit katatonischem Blick. Die Arme hingen schlaff an den Seiten herunter, und sie schaffte es kaum, sich auf den Beinen zu halten. Ihr Sari war zerrissen und hing in Fetzen an ihren Beinen herunter. Ein Träger ihres Büstenhalters war gerissen, und auf der Brust sah man lange rote Kratzer. Außerdem fehlte ihr ein Schuh. Die blonden Haare, die zuvor bestimmt zu einem Knoten hochgesteckt gewesen waren, hingen wirr und blutverschmiert herunter. An einem Ohr hatte sie eine eingetrocknete Blutspur.
Zuerst erkannte Fabrizio sie nicht, doch als er genauer hinsah, erinnerte er sich. Das war Mara Baglione Montuori, die Frau eines Mailänder Galeristen für zeitgenössische Kunst. Er kannte sie, weil sie ihn vor langer Zeit einmal für ihre Modezeitung interviewt hatte. Jetzt sah sie aus wie das Gespenst jener eleganten, versnobten Frau, mit der er sich bei Rosati an der Piazza del Popolo getroffen hatte. Sie wirkte so abwesend und traumatisiert wie eine Frau, die gerade vergewaltigt worden war. So, als hätte irgendetwas, irgendwer wie ein Blitz in ihr Gehirn eingeschlagen.
Fabrizio ging zu ihr und bemerkte, dass sie stark nach Schweiß stank.
»Mara, was ist passiert? Wo sind die anderen?« Fabrizio spürte, wie seine Eingeweide erstarrten.
Die Frau mied seinen Blick, schaute sich vielmehr suchend um. »Mein Mann …«
Larita hob einen Stuhl auf und setzte die Frau darauf. »Wo ist er?«
Mara Baglione Montuori zog auch den zweiten Schuh aus und hielt ihn in der Hand, als wollte sie ihn liebkosen. »Mein Mann …«
Die Sängerin ging auf dem Schiff herum, um nach dem Ehemann zu suchen.
Indessen ergriff Fabrizio Maras Handgelenke und versuchte, ihren Blick einzufangen. »Hören Sie, erinnern Sie sich an mich? Ich bin Fabrizio Ciba, wir kennen uns.«
Die Frau sah ihn an und lächelte, als sei ihr ein amüsanter Gedanken durch den Kopf geschossen. »Dienstag müssen wir nach Portofino, zur Hochzeit von Agnese.«
Fabrizio hatte noch nie viel Geduld mit traumatisierten oder kranken Menschen gehabt, aber jetzt, unter diesen Umständen, erst recht nicht. »Ich verstehe, dass Sie durcheinander sind, es tut mir wirklich sehr leid … Aber Sie müssen mir jetzt sagen, was zum Teufel hier passiert ist!«
Aber die Frau war ganz woanders. Vermutlich in Portofino. »Mein Mann hasst den Mann von Agnese, ich weiß gar nicht warum. Dabei ist er ein guter Junge. Er wird es noch weit bringen … Nicht, als wenn Piero in seinem Alter …«
Er schüttelte sie. »Wo ist dein Mann jetzt? War er bei dir?«
Sie war verärgert, als hätte Fabrizio ihr Vorwürfe gemacht, und drehte ihm den Rücken zu. Dann sah sie in einem Silbertablett, das auf dem Boden lag, ihr Spiegelbild.
»O Gott, ich sehe ja furchtbar aus … das Make-up … die Frisur … So darf mich niemand sehen.« Sie nahm eine Gabel vom Tisch. »Als wir klein waren, haben meine Schwestern und ich in Punta Ala immer das hier genommen, um unsere Puppen zu kämmen.« Und sie begann, die Gabel durch ihre blutverkrusteten Haare zu ziehen.
Frustriert warf Fabrizio den Kopf in den Nacken. »Das hat keinen Sinn, die ist fertig.«
»O Gott, wie furchtbar … Komm mal her! Schnell.« Larita sah aus dem Fenster und hielt sich vor Entsetzen die Hand vor den Mund.
Fabrizio ging zu ihr, machte sich Mut und sah ebenfalls hinaus.
Seit jeher liebte Ciba die Naturfilme, die auf dem Satellitenkanal Animal Planet ausgestrahlt wurden. Wenn er an seinen Romanen arbeitete, lief dieses Programm oft parallel. Wenn die Szenen kamen, wo das Raubtier alle Energie
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