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- Lasst die Toten ruhen

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Titel: - Lasst die Toten ruhen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Kotowski
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selbst!
    Das Gesicht schien sich zu bewegen, es öffnete den Mund, bewegte ihn, einen Schrei hörte er gellen …
    Er stürzte sich in Wahnsinn auf den Andren los.
    Aber die schwarze Masse schien zurückzuweichen und blieb wieder stehen.



Die Augen rissen sich noch weiter auf – über das Gesicht glitt ein höhnendes Grinsen.
    Er wollte zur Seite weichen, der Andre verstellte ihm den Weg.
    Die Augen sogen sich gierig ihm in’s Blut – seine Augen. Sie starrten ihn an, dann sah er den Andren langsam näher rücken, noch näher, das Gesicht berührte fast das seine: Er schrie auf, schloss die Augen zu und fing an zu laufen, sein Kopf dröhnte, klopfte, barst: Er stürzte hin.
    Als er zu sich kam, schleppt’ er sich zu einer Bank und setzte sich hin.
    Ein Paroxysmus von wüstester Verzweiflung raste durch seinen Körper.
    Das ist Wahnsinn!, zuckte es ihm durch’s Gehirn.
    Er fühlte den Andren hinter seinem Rücken.
    Er stand auf und fing an zu gehen, sein Herz schlug nicht mehr. Die Verzweiflung kippte um in ein blödes, irres Brüten.
    Er glaubte, Schritte zu hören. Es war da. Dicht hinter ihm.
    Plötzlich verlor er das Bewusstsein. Er hörte nichts und empfand nichts mehr.
    Als er nach Hause kam, setzte er sich im Speisezimmer vor den gedeckten Tisch, stützte seinen Kopf mit beiden Armen und verfiel in einen brütenden Halbschlaf.
    – Wollen Sie etwas essen?
    Er sah entsetzt auf, starrte lange gedankenlos hin, endlich erkannte er das Dienstmädchen.
    – Wollen Sie etwas essen?, wiederholte das Mädchen und sah ihn mitleidig an.
    Er schüttelte den Kopf und starrte sie unaufhörlich an.
    – Sie sind sehr krank, sagte sie endlich. Soll ich den Arzt holen?
    – Den Arzt?
    – Ja, den Arzt.
    Er besann sich lange.
    – Nein! Ich will nicht. Lassen Sie mich nur hier sitzen.
    Aber sie ging nicht.
    – Ich habe Angst, sagte sie nach einer Pause.
    – Angst?
    Sie nickte stumm.
    Er raffte sich auf.
    – Nein, nein! Haben Sie keine Angst. Man darf keine Angst haben.
    Er faselte und betastete im Sprechen alle Gegenstände.
    – Es ist die zweite Seele, die Angst hat, und ich liebe die Menschen, die eine zweite Seele haben.
    Er fing an im Zimmer herumzugehen und sprach unaufhörlich.
    Das Mädchen sah ihn mit steigendem Entsetzen an.
    – Ihre Schwester war vor einer halben Stunde hier, rief sie in ihrer Angst.
    Er horchte plötzlich auf.
    – Meine Schwester?
    Das brachte ihn wieder zur Besinnung.
    Er setzte sich hin, aber von Neuem versank er in ein stumpfes Grübeln.
    Plötzlich fuhr er wild auf.
    – Ist hier niemand außer uns beiden?
    – Nein, nein, stammelte sie und wich zurück.
    – Aber hier – hier … Sehen Sie nicht? Fühlen Sie nichts?
    Er sprang hoch wie von einem Krampf emporgeschnellt. Seine Augen waren geschlossen.
    Plötzlich riss er gewaltsam die Augen auf: Er sah das Mädchen totenblass sich an einem Stuhl halten.
    Er empfand eine tiefe Scham, starrte sie lange an und versuchte, freundlich zu lächeln.
    – Ja, ja, Sie haben recht. Ich bin krank. Vielleicht sehr krank …
    Er dachte lange nach.
    – Vielleicht sollen wir an meine Frau telegrafieren, dass sie sofort kommen solle? …
    Das Mädchen atmete glücklich auf.
    – Ja, ja, tun Sie das nur. Schreiben Sie nur das Telegramm. Ich werde auf die Post laufen.
    Sie lief umher und suchte nach Tinte.
    – So. Hier ist alles … schreiben Sie nur schnell. Es ist bald zehn Uhr.
    Da kam es ihm plötzlich vor, dass nun alles vorüber sei. Er fühlte sich mit einem Mal so klar und so stark.
    Er war erstaunt über dies Wunder.
    – Nein, nein, es ist nicht nötig, wir wollen noch bis morgen warten. Übrigens bin ich sehr müde. Ich werde mich jetzt schlafen legen. Ich fühle, dass ich sofort einschlafe.
    In der Tür blieb er stehen.
    – Wenn ich in der Nacht weggehen sollte, so ängstigen Sie sich nicht. Ich werde nämlich, wenn es schlecht geht, einen Arzt aufsuchen.
    Er trat in sein Zimmer und setzte sich auf das Sofa.
    Sein Gehirn war noch immer klar. Vielleicht war das mit dem Zweiten Gesicht nur eine Fieberkrise, und jetzt würde er wieder gesund werden, dachte er.
    Er grübelte.
    Er erinnerte sich plötzlich an den Abend, an dem sein eigenes Porträt einen so furchtbaren Eindruck auf ihn gemacht hatte.
    Er wurde glücklich.
    Diese Erinnerung rettete ihn. Alles wurde ihm klar: Im Unbewussten war der Eindruck stecken geblieben, und nun drang er nach außen unter dem Einfluss des Fieberparoxysmus.
    Ein jauchzender Jubel weitete sein Gehirn. Er

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