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- Lasst die Toten ruhen

- Lasst die Toten ruhen

Titel: - Lasst die Toten ruhen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Kotowski
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ein Knirschen zu hören … Du warst bei ihr die ganze Nacht und gestern … sie brach plötzlich ab.
    – Ja, ich war bei ihr. Er lachte boshaft. Berührt dich das eigentlich? Ha, ha, du bist ja eifersüchtig.
    – Ich erlaube dir nicht, ich will nicht, dass du ein fremdes Weib berührst, ich will es nicht, verstehst du, ich will es nicht!
    Sie schrie es mit kurzen, gedämpften Schreien.
    Er ließ den Kopf sinken und stützte ihn mit beiden Händen.
    – Meine Seele ist scheu und schamhaft, sagte er langsam und sehr leise. Du hast sie scheu gemacht. Du warst roh … sieh, ich bin einmal auf der Straße gegangen, und da fühlt’ ich mich nur als ein großes klopfendes Herz. Das ist ein Symbol für mein ganzes Wesen. Ich bin auch in Wirklichkeit nur ein großes klopfendes Herz. Und dieses Herz hat eine entsetzliche Scham. Die Scham ist das kalkige Gehäuse, in das sich ein solches Herz für immer wie eine Schnecke verkriechen kann. Die Scham macht kalt und scheu und hat Ekel vor den Menschen. Jetzt fühl’ ich kein Herz mehr, es ist verborgen, es schrumpft zusammen, es verkroch sich in dem Kalkgehäuse …
    Er sah zu ihr auf. Er glaubte, in ihren Augen große Tränen zu bemerken. Er war nicht sicher.
    Wieder ließ er den Kopf sinken.
    – Sieh’ jetzt zum Beispiel. Ich glaube, ich habe Tränen in deinen Augen gesehen, aber selbst meine Scham ist scheu, sie glaubt nicht an deine Tränen.
    Da sank sie ihm plötzlich zu Füßen. Sie fasste seine Hände und küsste sie in einer Tollwut von Leidenschaft.
    Sie wühlte ihn auf mit ihrer heißen Gier, mit den bettelnden Küssen, seine Leidenschaft kroch wieder hervor, drängte sich wütend in jeden seiner Nerven.
    Aber er beherrschte sich mit einer unnatürlichen Macht und entzog ihr leise seine Hände.
    Da warf sie sich auf ihn, klammerte sich an ihn, biss sich in ihm fest, erstickte ihn mit ihrer kranken Raserei.
    Es schwindelte ihn. Kopfüber stürzte er sich in diese Hölle von Glück und Grauen.
    – Du – du liebst mich?, stammelte er mühsam.
    Sie hing an seinen Lippen. Sie sog an ihnen, sinnlos, gierig, sie konnte sich nicht sättigen.
    Da sprang sie plötzlich auf, sie kochte vor Wut.
    – Du bist ja kalt, kalt! … Man muss dich erobern … Ihre Stimme bebte und war heiser. Ha, ha … wir haben die Rollen vertauscht. Du bist jetzt ein Weib. Ha, ha, ha … es ist wohl pikant, sich einmal als Weib zu fühlen? …
    Sie biss ihn mit dem ätzenden Hohn. Er starrte sie an, dann wurde seine Seele stumpf. Er sah sie nur dastehen mit dem breiten, gespreizten Hohn.
    – Und, und … sie stockte … Was hab’ ich mit dir zu tun? Geh’ doch zu deinem Mädchen, schrie sie rasend auf.
    Er bemerkte plötzlich, dass sie ein graues Kleid anhatte.
    – Warum hast du nicht dein schwarzes seidenes Kleid an?
    Sie sah ihn erstaunt an. War er wirklich krank? Spielte er Komödie?
    – Das reizt dich zu sehr auf, sagte sie endlich frech. Du darfst dich nicht aufregen. Deine Nerven sind zu schwach für den sexuellen Erethismus, in dem du ewig lebst. Das reibt dich auf.
    Er sagte kein Wort.
    Sie schwiegen lange.
    Plötzlich stand sie auf und trat dicht an ihn heran.
    – Du kommst heute um zehn Uhr abends zu mir, sagte sie scharf. Die Mutter ist verreist.
    – Ich komme nicht!, fuhr er rasend auf.
    – Du kommst!, wiederholte sie lächelnd.
    Eine Tollwut kam über ihn.
    – Ich schwöre dir, dass ich nicht komme, schrie er heiser auf. Ich schwöre!, er stampfte mit den Füßen.
    – Du kommst!, sagte sie sehr ernst.
    Die Wut zersprengte ihm sein Gehirn. Er hatte eine tierische Lust, dies Weib zu morden. Es schrie etwas in ihm dies Wort: Morden! Die Sinne vergingen ihm. Ein Schwindelgefühl wirbelte wie ein feuriges Feuerscheit in seiner Seele. Er ballte die Fäuste und ging auf sie zu.
    – Du wirst heute um zehn Uhr zu mir kommen, sagte sie leise und ging aus dem Zimmer.
    – Ich werde nicht!, brüllte er auf und warf sich auf den Boden. Die Seele war ihm aufgerissen und blutete aus tausend Wunden. Er wälzte sich auf dem Boden und vergrub in wütender Ohnmacht seine Hände in den Teppich.
    Mit einem Mal entdeckte er ihn wieder, ihn – sich selbst.
    Sein Blut stockte, er fühlte ein Stechen und Prickeln in den Haarwurzeln, er war gebadet in Angstschweiß.
    Er kroch wie ein Tier auf Händen und Füßen in eine Ecke und starrte unverwandt hin: dies grässliche verzerrte Gesicht! Sein eigenes Gesicht.
    Er schloss die Augen und drückte sich krampfhaft an die Wand.
    – Jetzt würde er es

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